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Aznar gibt nach, Jordi Pujol holt auf

In Spanien ist die Bildung einer neuen Regierung näher gerückt. Überraschend traf sich am Sonntag der konservative Wahlsieger José Maria Aznar mit Kataloniens Landesvater  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

José Maria Aznar trat gestern sichtlich erleichtert vor die Presse. Erstmals seit seinem knappen Wahlsieg gegen Felipe González am 3. März, hat der Chef der konservativen Partido Popular (PP) Grund zur Hoffnung, doch noch eine Parlamentsmehrheit zu erzielen. Ein vierstündiges Treffen am Sonntag abend mit dem Führer der katalanischen CiU, Jordi Pujol, sei äußerst erfolgreich verlaufen. „Die Gespräche werden in die Bildung einer stabilen Regierung münden“, ist Aznar überzeugt.

Er gab bekannt, worüber verhandelt wird: der Beitritt zur Europäischen Währungsunion, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit zu senken, ein Pakt zur Sicherung des Sozialstaates, der Kampf gegen den Terrorismus, ein Überdenken der Politik der Zentralregierung gegenüber den Autonomien und eine Steuerreform.

Vor allem die letzten beiden Themen sind für Jordi Pujol, den Präsidenten der Generalitat, der katalanischen Autonomieregierung, von höchstem Interesse. Bisher behalten die Autonomien zu ihrer Finanzierung 15 Prozent der Einkommensteuer ein. Aznars Steuerreform könnte hier Besserung bringen, wenn Zentralstaat und Autonomieregierungen die Abgaben gemeinsam eintreiben.

Doch damit nicht genug. Pujol fordert weitere Kompetenzen für seine Autonomieregierung. Die spanischen Polizeikräfte sollen aus dem Straßenbild Kataloniens verschwinden und ihre Kompetenzen an die Autonomiepolizei „Mossos d'Esquadra“ abtreten. Häfen und Flughäfen sowie die Sozialversicherung und die Arbeitsämter sähe Pujol ebenfalls gerne in der Obhut der Generalitat.

Die PP, die bisher immer einen starken Zentralstaat auf dem Programm hatte, scheint bereit, auch hier in den sauren Apfel zu beißen. Ihre Zauberformel: die einheitliche Verwaltung, bei der die Parallelstrukturen abgeschafft und die Kompetenzen genau getrennt werden. Was ursprünglich als kostensparende Abspeckung des Beamtenapparates gedacht war, könnte den Durchbruch bringen.

Jordi Pujol, der angesichts der Verhandlungen mit Aznar um einen Popularitätsverlust in Katalonien fürchtet, versuchte sich vor dem ersten Sondierungsgespräch nach allen Seiten abzusichern. Drei Tage vor seinem Besuch bei Aznar traf er sich mit dem scheidenden Ministerpräsidenten Felipe González, der in den letzten drei Jahren selbst nur mit CiU-Unterstützung regieren konnte. González sicherte zu, einen möglichen Pakt zwischen CiU und PP nicht mit billiger antikatalanischer Polemik zu attackieren.

Das scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben. Schon warnt der sozialistische Noch-Minister José Borrell, die nationale Einheit Spaniens sei in Gefahr. Antikatalanische Ressentiments feiern fröhliche Urständ.

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