: „Eine Frage der nationalen Stabilität“
■ Reinhard Höppner, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, will weiter EU-Fördergeld
Die EU soll die neuen Länder nicht vergessen. Mit dieser Forderung reisten gestern nachmittag die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder zu EU-Kommissionschef Jacques Santer. Vor dem Gespräch äußerte sich Reinhard Höppner (SPD) gegenüber der taz.
taz: Wie lange braucht Ostdeutschland EU-Sonderregeln?
Höppner: Das wichtigste sind für uns die Fördergelder aus dem Strukturfonds. Die sollen nach den bisherigen Vereinbarungen 1999 wegfallen. Das ist aber viel zu früh, da würde einiges wegbrechen.
Die neuen Länder wollen also noch bis weit ins nächste Jahrtausend als strukturschwache Gebiete gefördert werden?
Ja, denn ohne EU-Förderung würde der Aufholprozeß Jahrzehnte dauern.
Sieht das die EU genauso?
Darüber müssen wir immer wieder reden. Sonst entstehen leicht Gerüchte. So hören wir immer wieder, daß der Aufschwung im Osten bereits rolle und keine Unterstützung mehr benötige.
Massenarbeitslosigkeit gibt es doch überall.
Sie müssen sehen, daß ein Großteil der Aufwärtsbewegung im Osten von der Bauwirtschaft kommt. Das „verdirbt“ uns die ganze Statistik. Ohne die Bauwirtschaft, die bei uns derzeit dreimal so stark ist wie im Westen, hätten wir 30 Prozent Arbeitslosigkeit, weil das produzierende Gewerbe weiter abbaut.
Andere EU-Gebiete haben tatsächlich 30 Prozent Arbeitslosigkeit. Sind dort die EU-Gelder nicht viel nötiger?
Sie dürfen nicht nur Arbeitslosenziffern vergleichen. Das ist auch eine Frage der regionalen und nationalen Stabilität.
Die Alt-Bundesländer sind aber langsam sauer, daß immer mehr Betriebe im alten „Zonenrandgebiet“ wegen der Förderung in die neuen Länder abwandern.
Da muß man offen drüber reden. Es ist klar, daß Regionen, denen es gleich schlecht geht, auch gleich gefördert werden müssen. Wir müssen uns jetzt nur mit den Altbundesländern darauf einigen, ob etwa der Bayerische Wald genauso strukturschwach ist wie etwa unsere Altmark oder der Raum Halle/Leipzig.
Welche Altbundesländer machen Ihnen zu schaffen?
Ich habe nicht umsonst vom Bayerischen Wald gesprochen. Edmund Stoiber steht da an der Spitze der Bewegung.
Und die Bundesregierung?
Ohne Unterstützung aus Bonn hätten wir zum Beispiel die Milliardensubvention für das Chemiedreieck Buna in Brüssel nicht durchbekommen. Die Solidarität der Ostdeutschen war hier nicht gerade groß. Interview: Christian Rath
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