„Wir wollen keine Minikirche“

■ Vor dem heutigen evangelischen Kirchentag tobt der Wahlkampf

Wahlkampf vor dem Kirchentag. Heute und morgen tagt das Parlament der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), und hinter den Kulissen heißt es: „Wir sind unterrepräsentiert und ausgeschlossen.“ Der sich da beschwert, ist Jens Motschmann, Pastor der Martini-Gemeinde. Motschmann gehört zur Gruppe „Arbeitsgemeinschaft Missionarische Kirche“ (AMK), mit ihm neun Bremer Pastoren sowie sechs evangelische Gemeinden. Kein Vertreter der AMK sitzt bislang im Ausschuß des Kirchentags. Genau dort aber wird Kirchenpolitik gemacht. „Minderheiten sollen beteiligt werden“, fordert Jens Motschmann und ruft die Vorwürfe „Diktatur der Mehrheit“ und „Scheindemokratie in der BEK“ gleich hinterher.

Die Gruppe „AMK“, die sich nur ungern als Fraktion oder gar „Minikirche“ bezeichnen möchte, lud kurz vor dem Kirchentag zur ersten Pressekonferenz. Unter den Besuchern saß Pastor Peter Bick, Pressesprecher der BEK. Den Vorwurf „Scheindemokratie“ blockte er ab. „Die Ausschußwahl ist basisdemokratisch. Da herrscht freier Wettbewerb, und wenn die Kollegen nicht gewählt werden, können wir das nicht ändern.“ Den Katzenjammer verstehe er nicht.

Die Gruppe AMK aber möchte sich auf Biegen und Brechen ins Kirchenparlament einbringen und mitreden. Dort ist Sparen angesagt, man ist mit 36 Prozent Mitgliederschwund im Jahre '95 konfrontiert. Über 25 Millionen müssen deshalb aus den Rücklagen genommen werden. „Wir müssen jetzt leider ans Personal gehen“, sagt Pastor Bick. Stellen sollen zusammengefaßt und einzelne Gemeinden dadurch zur Zusammenarbeit gebracht werden. Genau da aber hebt die AMK schon ihren Zeigefinger.

„Das ist Zwang und ein Unterlaufen der Gemeindefreiheit“, warnt AMK-Gründungsmitglied Pastor Bernd Bierbaum, Epiphanias-Gemeinde/ Gartenstadt Vahr. Die AMK hat sich eine stärkere biblische Orientierung ins Programm geschrieben – „missionarisch“ hieße, das Evangelium wieder an die Menschen zu bringen – und da gebe es durchaus Vorbehalte und Differenzen mit den Nachbargemeinden. Pastor Jens Motschmann wußte dazu ein Beispiel aus der Praxis: eine Mitarbeiterin, die für die Abtreibung sei, wolle er im Mutter-Kind-Haus Bethanien nicht haben. Das Haus in Findorff wird von Motschmanns St.-Martini-Gemeinde mitgetragen.

Man lobte allerseits die erfolgreiche Arbeit in den hauseigenen Gemeinden der AMK, die Gottesdienste seien weitaus besser besucht als anderswo, die Spendenbereitschaft der Menschen groß. In der Epiphanias-Gemeinde etwa wird die Stelle der Kirchenmusikerin über Spenden per Dauerauftrag finanziert. Pastor Motschmann von St.-Martini sprach weiterhin von zu gründenden Fördervereinen und vom „Vorreitermodell“ der Gruppe AMK.

„Gerade die Martini-Gemeinde ist nun eine sehr betuchte, für die 10.000 Mark ein Klacks sind – da tun sich andere schwerer“, rückte Pastor Bick das Bild zurecht. „Hier wird eine ganz bestimmte Form bürgerlicher Frömmigkeit bedient, da reisen sonntags die Leute aus Oberneuland an.“ Andernorts müsse man ganz anders werben: Die BEK überlegt, eine neutrale Wiedereintrittsstelle am Franziuseck für Rückkehrwillige einzurichten.

Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz hat außerdem im Vorfeld des Kirchentags die Einrichtung einer Härtefallkommission für Abschiebefälle gefordert. Informationen von Kirchen und Menschenrechtsorganisationen sollten unbürokratisch in die Entscheidungsabläufe der Ausländerbehörde eingebracht werden. sip