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Unterm Strich

Und hier etwas aus der überraschenden Welt des Konsums: Der große Ansturm auf den zweiten Teil der „Beatles“-Anthologie mit 45 bislang unveröffentlichten Aufnahmen blieb am Montag – dem Erstverkaufstag – in Europa weitgehend aus. Dabei hatten Kritiker die Doppel-CD aus der Blütezeit der legendären Pilzköpfe hochgelobt. Die britische Plattenfirma HMV Records hofft dennoch, bis Ende der Woche bis zu 200.000 Exemplare zu verkaufen. Na, dann hofft mal. In Liverpool, wo HMV seine Türen bereits um Mitternacht öffnete, standen enttäuschenderweise „nur“ 75 Fans Schlange. Schleppend lief der Verkauf in Berlin, Paris und anderen europäischen Hauptstädten an. Die Nachfrage sei keineswegs so groß wie bei der Veröffentlichung des ersten Teils der Anthologie im November, bestätigte Gennaro Castaldo von HMV in London. Sowohl die „Aufregung“ bei den Fans als auch das Ausmaß der Werbeaktionen für die neue CD seien mit der Situation im vergangenen Herbst einfach nicht zu vergleichen (Ausmaß & Aufregung = schöne Alliteration). Immerhin hätten die Beatles sich im November „erstmals seit 25 Jahren“ wieder zurückgemeldet. In den USA, wo die Scheibe an diesem Dienstag in die Läden kommt, und in Japan rechnet die Plattenfirma mit großem Interesse. In Berlin bei Wom in der häßlichen Charlottenburger Einkaufszone erkundigte sich am Montag fast jeder dritte Kunde nach der neuen Scheibe (oder doch nur jeder vierte?), die bis dahin noch gar nicht angeliefert war. Pech. Bei City Musik am Kudamm war die Nachfrage „ganz normal, vielleicht ein bißchen mehr“ (liebe Nichtberliner, so spricht der Berliner). À Paris, wo für das neue Album ebenfalls kaum die Werbetrommel gerührt worden war, lief das Geschäft schleppend an. Mensch, dabei enthält „The Beatles Anthology Volume 2“ doch die Klassiker der 60er Jahre! Bisher unveröffentlichte Versionen von Stücken aus den legendären Alben wie „Help“, „Revolver“, „Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band“ sind darauf zu hören. Drei Versionen lassen das Entstehen von „Strawberry Fields Forever“ nachvollziehen. Weiter sind ungewohnte Aufnahmen von „Lucy in the Sky With Diamonds“, „The Fool On The Hill“ oder „Penny Lane“ aufgelistet. „Real Love“ ist schließlich nach „Free As A Bird“ die zweite neue Aufnahme von Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr auf der Basis eines von John Lennon in den 80er Jahren eingespielten Demo-Bandes. Als das „außergewöhnlichste Dokumentationstück, das jemals über Popmusik gemacht wurde“, pries die Fachzeitschrift „New Musical Express“ den zweiten Teil der Anthologie. Der Pop-Kritiker der nüchternen „Financial Times“ sah in der Neuveröffentlichung den Beweis dafür, warum die Lieder der Beatles in der zweiten Hälfte der 60er Jahre „zum Maßstab aller Pop-Musik geworden sind.“ Amen.

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