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Die Brösel sollen kleiner werden

Das niederländische Parlament debattierte die Drogenpolitik – von der alten Einigkeit über den liberalen Umgang mit weichen Drogen sind die Parteien heute weit entfernt  ■ Aus Amsterdam Ed van Zutphen

Innenminister Hans Dijkstal von der rechtsliberalen VVD hat es schon getan, genau wie Justizministerin Winnie Sorgdrager von der linksliberalen D66. Politiker aller großen Parlamentsparteien in Den Haag haben schon mal an einem Joint gezogen. D66-Fraktionsvorsitzender Gerrit-Jan Wolffensberger hat nach dem Ende seiner Studentenzeit noch jahrelang gekifft. „Ich tat es, als ich hart gearbeitet hatte und nicht einschlafen konnte. Ich fand es weniger gefährlich als Schlaftabletten.“

Darüber aber sind unter niederländischen Politikern nach 20 Jahren Duldungspolitik die Meinungen so stark geteilt wie schon lange nicht mehr. Am Montag stand im Parlament in Den Haag ein Vorschlag der Regierung zur Debatte. Während die Politiker aller Parteien im Saal ihre Argumente austauschten, demonstrierten draußen besorgte Konsumenten auf ihre Weise: Sie nebelten das Parlamentsfoyer konsequent mit Joints ein – trotz Rauchverbots. Tatsächlich besteht für Verbraucher Grund zur Sorge. Die sogenannte Drogen-Nota der Regierung fordert konkrete Gesetzesänderungen, Kernpunkt: die Senkung des geduldeten Besitzes weicher Drogen von 30 auf 5 Gramm.

Die Koalition aus PvdA, D66 und VVD sieht sich in ihrer Drogenpolitik von Frankreich unter Druck gesetzt. Präsident Jacques Chirac hatte einen für Anfang März geplanten europäischen Drogen-Gipfel abgesagt – erst müßten die Niederlande alle Coffeeshops schließen. Unterstützung fanden die Niederlande bei fünf deutschen Bundesländern – deren Drogenbeauftragte forderten öffentlich, die Haager Regierung solle sich nicht beirren lassen.

Tut sie aber. Und ausgerechnet die oppositionelle christdemokratische CDA schließt sich der französischen Forderung an und will plötzlich die sogenannte Nulloption. Dabei hatten gerade die Christdemokraten vor 20 Jahren die Duldungspolitik eingeführt. Die CDA plädiert dafür, die Provinz Limburg, nahe Aachen, zur Probe drogenfrei zu machen.

Die Regierung weiß nicht, was sie davon halten soll – aber auch sie ist plötzlich gespalten. Die linksliberale D66 will unbedingt die endgültige Freigabe von weichen Drogen – nicht anders als die Freigabe von Alkohol und Nikotin. Heroin solle kontrolliert abgegeben werden. Die PvdA von Premier Wim Kok ist im Prinzip für die Freigabe der weichen Drogen, ist sich jedoch darüber bewußt, daß die Nachbarländer damit zunehmend Probleme haben. Der rechtsliberale Koalitionspartner VVD ist überhaupt gegen Freigabe – so daß die Regierung sich in einer Sackgasse befindet.

Dabei gibt die VVD durchaus die Stimmung in einem Teil der Bevölkerung wieder. Nach Umfragen sind 52 Prozent der Niederländer für eine Einschränkung der Zahl der Coffeeshops, ein Drittel aller Bürgermeister will die Läden sofort schließen. Vor allem die Bewohner der Grenzstädte Arnheim, Maastricht, Enschede und Venlo haben genug vom Drogen-Tourismus. Die VVD drohte an, jeden weiteren Liberalisierungsversuch mit Hilfe der oppositionellen CDA und der drei kleinen christlich-fundamentalistischen Parteien zu blockieren.

So geht es momentan weder vor noch zurück. Und Justizministerin Sorgdrager hat sogar Erinnerungslücken. „Ob ich inhaliert habe? Das weiß ich echt nicht mehr.“

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