: Es fährt ein Zug nach nirgendwo
■ Kaputte Brücke am S-Bahnhof Friedrichstraße: Ost-West-Regionalverkehr verzögert sich bis Ende 1998
Wieder einmal muß die Deutsche Bahn AG die Inbetriebnahme ihrer Strecke zwischen Zoologischem Garten und Hauptbahnhof verschieben. Auf der wichtigsten Ost-West-Verbindung Berlins werden Regionalzüge voraussichtlich frühestens Ende September 1998 verkehren, erklärten gestern VertreterInnen der Bahn AG bei einer Besichtigung der Baustelle im S-Bahnhof Friedrichstraße. Bislang war geplant, den Regionalverkehr zum Jahresende 1997 anrollen zu lassen.
Die Verzögerung trifft zum Beispiel Reisende, die von der Stadt Brandenburg nach Frankfurt (Oder) unterwegs sind. Sie müssen noch zwei Jahre auf durchgehende Züge verzichten und mehrmaliges Umsteigen innerhalb Berlins in Kauf nehmen. Auch für Berliner wird es im Zentrum der Stadt vorerst keine Anbindung an überregionale Eisenbahnstrecken geben. Die S-Bahn über Friedrichstraße und Alexanderplatz wird ebenfalls mit Verzögerung fertiggestellt: Sieben Monate später als geplant wird sie erst im Herbst 1996 wieder voll funktionstüchtig sein.
Die Bauarbeiten werden länger dauern, weil die Gleisbrücke über die Spree am westlichen Ausgang des Bahnhofs weitaus maroder ist als ursprünglich angenommen. Im vergangenen Jahr gingen die Ingenieure noch von einer Sanierung des Bauwerkes aus. Jetzt heißt es, die Brücke müsse abgetragen und neu gebaut werden. Wie Bahnsprecherin Irene Liebau erklärte, habe diese neue Erkenntnis nichts mit mangelnder Überprüfung oder falschen Berechnungen zu tun. Man habe erst im Zuge der Bauarbeiten gemerkt, wie kaputt das einhundert Jahre alte Stahlgerüst wirklich sei.
Weil die Bahnsteige des S-Bahnhofs zum Teil auf die Brücke hinausreichen, müssen sie jetzt entfernt werden. Die Folge: Ost-West-Regionalzüge können mindestens bis September 1998 nicht an der Friedrichstraße halten. Deshalb schätzt Bahnsprecherin Liebau, daß diese Verbindungen erst nach Fertigstellung des Bahnhofs eingerichtet werden.
Die komplette Sanierung der S-Bahn vom Zoo zum Hauptbahnhof wird anstatt im Februar erst im September 1996 abgeschlossen sein. Dann kann man an den zur Zeit noch gesperrten Bahnhöfen Tiergarten, Bellevue und Jannowitzbrücke wieder ein- und aussteigen. Der Zeitverzug um sieben Monate resultiert aus unvorhergesehenen Munitionsfunden am Bahndamm und dem harten Winter, der das Arbeiten am S-Bahn- Viadukt zeitweise unmöglich machte. Wenn nicht noch weitere Verzögerungen eintreten, wird der S-Bahnhof Friedrichstraße gegen Ende 1997 so schnieke aussehen wie heute der Bahnhof Zoo. Hannes Koch
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