: „Die Justiz ist einer der härtesten Knochen“
■ Datenschutzbericht: Verstöße im Knast, im Internet und bei Chipkarten
Die Justizverwaltung verstößt in der Justizvollzugsanstalt Tegel gegen die Persönlichkeitsrechte von Gefangenen: Über die Insassen existieren Persönlichkeitsprofile: Psychologische Beurteilungen, Vermerke über Straftaten und wann einer in der Haft eine Thermoskanne absichtlich zerstört hat – alles sammelt die Knastleitung in Dossiers, die jahrelang aufbewahrt werden und zu denen auch jeder Schließer Zugang hat.
Anläßlich der Vorstellung des Datenschutzberichtes 1995 kritisierte der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka gestern diese Praxis der Justiz. „Auch ein Strafgefangener hat Menschenrechte, dazu gehört das Persönlichkeitsrecht“, kommentierte er die Dossiers in Tegel. Seine Mitarbeiterin Claudia Schmid vermutet solche Dossiers auch in den anderen Haftanstalten. Schmid, zuständig für den Bereich Bürgerrechte und Öffentlichkeit, appellierte an das Bundesjustizministerium, endlich Datenschutzgesetze für den Justizvollzug zu erlassen, nicht nur die Zugriffsrechte der Polizei immer weiter auszudehnen.
Auch Garstka betonte, daß es angesichts der Diskussion um die Organisierte Kriminalität zunehmend schwieriger werde, den Datenschutz durchzusetzen. Für Berlin stellte er fest: „Die Justiz ist einer unserer härtesten Knochen, auf denen wir rumbeißen.“
Im Jahresbericht des Beauftragten nehmen im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht nur Beanstandungen in Berlin, sondern vor allem die modernen Medien einen großen Raum ein. Gerade das Internet stellt die Kontrolleure vor neue Probleme: Es gebe keine hundertprozentig sichere Methode, Daten in den Netzen zu schützen, und es käme deshalb darauf an, keine sensiblen Informationen auf Netz-angebundenen Rechner zu verwalten. Gastka: „Wer im Internet Daten verschickt, tut das auf dem offenen Marktplatz.“ Deshalb plädiert Garstka dafür, Verschlüsselungsprogramme nicht zu verbieten oder einzuschränken, wie es von der Bundesregierung geplant wird.
Auch elektronische Informationen, die auf Chipkarten gespeichert sind, beäugte Garstka gestern sehr kritisch. „Chipkarten hinterlassen überall eine Datenspur“, sagte Garstka, der sich für Guthabenkarten ausspricht – personalisierte Karten, auf denen ein eigenes Konto geführt wird, müßten gar nicht sein.
Unter den 103 datenschutzrechtlichen Problemen mit dem sich die Beauftragten 1995 befaßt haben, ist auch die Berliner Verwaltungsreform. So begrüßt Schmid zwar die Einrichtung von Bürgerbüros, die eine zentrale Anlaufstelle sein sollen, warnt aber zugleich vor den Gefahren einer zentralisierten Datenerfassung und -verwaltung: „Ein sensibler Bereich wie die Sozialhilfe darf nicht vom selben Mitarbeiter bearbeitet werden wie zum Beispiel die KFZ-Anmeldung.“
Mit der Sensibilität neuer Medien beschäftigt sich der Datenschutz seit gestern ganz direkt: Er ist im World Wide Web zu erreichen: http://www.datenschutz-berlin.de Barbara Junge
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