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Gericht ebnet den Weg zur Länderfusion

Große Erleichterung bei den Regierenden in Berlin und Brandenburg. Katzenjammer bei der PDS  ■ Von Christoph Seils

Potsdam (taz) – Noch bevor der Präsident des Brandenburger Verfassungsgerichtes, Peter Macke, zur Urteilsverkündung schritt, lobte er sich und seine Kollegen für das 50-seitige „Jahrhundertwerk“. Schließlich macht es nicht nur den Weg frei für die Volksabstimmung zwischen Berlin und Brandenburg, sondern öffnet darüber hinaus den verfassungs- und staatsrechtlichen Weg für zukünftige Länderfusionen in Deutschland.

Der Neugliederungsstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg verstößt nicht gegen die Landesverfassung, so entschieden die Verfassungsrichter in ihrem gestern in Potsdam verkündeten Urteil über eine Normenkontrollklage der PDS-Landtagsfraktion.

Mit einer Mehrheit von sieben zu eins verneinten die Verfassungsrichter den Vorwurf der PDS, das Landesparlament und die Bürger des Landes seien bei der Ausarbeitung des Staatsvertrages zur Fusion von Berlin und Brandenburg nicht ausreichend beteiligt worden. Darüber hinaus sei das neue entstehende Volk, so die Richter, souverän in seiner Entscheidung und nicht, wie von der PDS eingeklagt, an rechtliche Vorgaben der Brandenburger Verfassung gebunden.

Nur in einem einzigen Punkt gaben die Verfassungsrichter der PDS recht. Die vorbereiteten Stimmzettel entsprechen nicht den Grundsätzen einer freien Abstimmung. Aus der Zusatzfrage, ob die Länderfusion im Jahr 1999 oder 2002 erfolgen solle, könnten die Wähler eventuell ableiten, über das „ob einer Fusion“ sei bereits entschieden. Das Verfassungsgericht machte es der Landesregierung zur Auflage, alle Wähler in einer Zusatzinformation darauf hinzuweisen, daß sie unabhängig von der Zustimmung zur Fusion über dessen Zeitpunkt mitentscheiden dürften.

Brandenburgs Bürger sind mehr als skeptisch

Mehrfach verwies Macke in seiner mündlichen Urteilsbegründung darauf, das Verfassungsgericht habe den Staatsvertrag nicht politisch und inhaltlich bewertet. Die Brandenburger Landesregierung allerdings erhofft sich von diesem Urteil Rückenwind für ihre Fusionswerbekampagne. In den letzten Wochen ist Umfragen zufolge die Zustimmung der Brandenburger zum Zusammenschluß mit Berlin dramatisch gesunken. Der Ausgang der Volksabstimmung am 5. Mai ist vollkommen offen, denn für die Annahme des Staatsvertrages ist nicht nur die einfache Mehrheit der Stimmen erforderlich. Mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten müsse mit „ja“ votieren.

So nahm ein sichtlich erleichterter Justizminister Hans-Otto Bräutigam das Urteil denn auch zum Anlaß, der PDS ihre „verfassungsrechtlich haltlose Kritik“ vorzuwerfen.

Während Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen über das Urteils jubelten, forderten sich noch im Gerichtssaal Landespolitiker von SPD und CDU gegenseitig auf, jetzt die Werbeanstrengungen für die Fusion zu verstärken. Daran mangelte es in den letzten Wochen. Der Chef der Potsdamer Staatskanzlei, Jürgen Linde, hatte sich kürzlich bitter über das unzureichende Engagement von SPD und CDU beklagt, mußte sich jedoch sofort die zahlreichen Pannen seiner Fusionskampagne vorhalten lassen.

Die PDS bleibt auch nach diesem Urteil beim Nein zur Fusion. Ihr Fraktionsvorsitzender und PDS-Bundesvorsitzender Lothar Bisky räumte ein, daß das Urteil für seine Partei einen „Rückschlag“ bedeute.

Aber auch den heimlichen Hoffnungen der Berliner CDU machte das Gericht einen Strich durch die Rechnung. Vor allem der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky hatte in den letzten Tagen die Entscheidung kritisiert, in Potsdam ein neues Parlament zu errichten, obwohl in Berlin ein vollfunktionsfähiges Gebäude zur Verfügung stünde. Sollten die Völker Brandenburgs und Berlins dem Staatsvertrag mit der erforderlichen Mehrheit die Zustimmung erteilen, gäben sie, so urteilten die Richter, in einem Akt ihre Souveränität auf und konstituierten sich als Volk des neuen Bundeslandes. Die Entscheidung über einen neuen Parlamentssitz erhielte Verfassungsrang.

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