: „Das ist Rufmord, Herr Scherf“
■ Lehrer stellen sich hinter grünen Abgeordneten Zachau / Personal-Interna für Polemik benutzt
„Wir sind empört über Art und Inhalt Ihrer Äußerungen über unseren ehemaligen Kollegen und Abteilungsleiter Helmut Zachau“, mit dieser Erklärung haben sich gestern 30 LehrerInnen des Schulzentrums Lange Reihe in Walle zu Wort gemeldet. „Rufmord“ ist für sie die Äußerung Scherfs im Parlament, Zachau habe „durch Aktionen auf der Straße“ von sich Reden gemacht und einen Kollegen „bis ins Krankenhaus verfolgt“. Scherf hat sich entschuldigt (taz 21./22.3.).
Scherfs Kenntnisse über den grünen Abgeordneten stammen aus internen Personalvorgängen: Zachau hatte einmal als Abteilungsleiter eine dienstliche „Erörterung“ beim Bildungssenator beantragt, bei der es um den Konflikt mit dem Schulleiter gegangen war. Der Hintergrund: August Hillebrandt, früher Abteilungsleiter der Berufsschule Lange Reihe, war gegen eine große Mehrheit des Kollegiums von der Schulbehörde als Schulleiter der Langen Reihe eingesetzt worden. Zachau war mit großer Unterstützung des Kollegiums zu seinem Nachfolger als Abteilungsleiter bestimmt worden. Zachau engagierte sich, der Konflikt war vorprogrammiert, zumal, wie Zachau sagt, die Kompetenzen wenig abgegrenzt sind, „funktional eine Doppelbesetzung: Man könnte eine der beiden Stellen streichen.“
Das Kollegium steht auch heute noch voll hinter Zachau: Der habe „gegen die Widrigkeiten der Behörde die Entwicklung des Schulzentrums vorangetrieben“, sei „menschlich und pädagogisch kompetent“ und habe „integrativ gearbeitet“. Besonders perfide findet die Lehrerin Barbara Larisch, daß Scherf über das Engagement Zachaus „auf der Straße“ hergezogen hat. „Zachau hat die große Aktion gegen den Golfkrieg mitorganisiert“, sagt sie, und war immer dabei, wenn die Schüler für ihre Lernbedingungen auf die Straße gingen. Die Lehrer wollen den Scherf-„Rufmord“ an ihren früheren Abteilungs-Chef noch auf einer Abteilungskonferenz der Waller Schule zum Thema machen.
Zachau, inzwischen Abgeordneter, bestätigt, daß er mit seinen Initiativen immer wieder an der Schulleitung gescheitert sei. Da der Konflikt nicht lösbar gewesen sei, habe er schließlich resigniert und nach anderen beruflichen Feldern Ausschau gehalten: „Ich habe das nicht mehr ausgehalten.“
Schulleiter Hillebrandt wollte sich zu dem schulinternen Konflikt und zu Zachau nicht äußern. Daß er wegen einer Herzoperation im Krankenhaus war, ist eine Tatsache. Daß dies im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Schule stand, ist für die KollegInnen der Gipfel des „Rufmordes“: „Krank hat uns nicht Zachau gemacht, krank macht uns diese Bildungspolitik“, sagt Lehrerin Larisch. Sie unterstützt die Kritik Zachaus an der Bildungssenatorin, die zu dem Eklat in der Bürgerschaft am Mittwoch führte.
Aktuelles Beispiel ist die „Reform“ der 11. Klasse. Die Schulbehörde plant, die besseren Schüler auf Auslandsaufenthalte und Berufspraktika zu schicken. Damit wird die auf das Abitur gerichtete Lernmotivation zu Beginn der Oberstufe zerstört, kritisiert Barbara Larisch: „Die Schüler, die gut sind, sollen aus der Schule rausgejagt werden“, sie würden „einfach beschäftigt“, damit die anderen in Liftkursen in der 11. Klasse den Stoff der 9. und 10. Klasse nachholen können. Vergeblich laufen Sek-II-Lehrer bisher Sturm gegen diese neueste Reform-Idee der Behörde. Für Larisch ist es eine „Bankrotterklärung“ der Schulpolitik. K.W.
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