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Totgesagte leben länger: FDP gewinnt alle Wahlen

■ SPD klappt zusammen, die CDU bleibt stabil, Grüne gestärkt / Schwarz-gelbe Koalition im Ländle wahrscheinlich, Rheinland-Pfalz vermutlich rot-gelb

Berlin (taz) – Die FDP ist wieder da. Bei den gestrigen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg konnte die Partei den Raum zwischen ihren drei Punkten wieder mit Wählerstimmen füllen. Entgegen vielen Vermutungen gelang den Freidemokraten nicht nur in Stuttgart und Mainz der Wiedereinzug ins Parlament. Auch in Kiel schaffte die FDP die Fünfprozenthürde locker: In Baden-Württemberg kam die FDP auf etwa 9,5 Prozent, in Rheinland- Pfalz auf 8,5 und in Schleswig-Holstein auf 6 Prozent der Wählerstimmen.

Dementsprechend herrschte unter den FDP-Fans gestern in Bonn, Stuttgart, Mainz und Kiel allgemeine Begeisterung. Als einen „ganz großen Erfolg“ wertete FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle das Abschneiden seiner Partei. Das Ergebnis sei auch ein Erfolg für die Bonner Parteiführung, die „entschlossen und geschlossen“ aufgetreten sei. Die FDP ist nicht nur zurück, sie kann nun auch in Baden-Württemberg mit einer Regierungsbeteiligung an der Seite der CDU rechnen. In Rheinland-Pfalz bleibt es möglicherweise bei der bestehenden Koalition von SPD und FDP. Eindeutiger Wahlverlierer ist dagegen die SPD: Sie mußte in allen drei Ländern herbe Stimmenverluste registrieren.

Freude bei den Bündnisgrünen: Sie erreichten in Baden-Württemberg mit rund 12 Prozent erstmals ein zweistelliges Ergebnis, in Schleswig-Holstein übersprang die Partei mit rund 8 Prozent erstmals die Fünfprozenthürde. In Rheinland-Pfalz dagegen konnten die Grünen ihr bisheriges Ergebnis von 6,5 Prozent in etwa halten. Rezzo Schlauch von den Stuttgarter Grünen verbreitete dennoch keine überschwengliche Freude. Durch die starken Verluste der SPD im Ländle ist ihr der potentielle Koalitionspartner abhanden gekommen. „Die Grünen knospen weiter“, freute sich Vorstandssprecherin Krista Sager über das Wahlergebnis. Sie richtete gemeinsam mit ihrem Kollegen Jürgen Trittin die Aufforderung an die SPD, sich nun endlich klar zu einer rot-grünen Machtalternative auf Bundesebene zu bekennen. Die Verluste der SPD zeigten, daß das Schielen auf große Koalitionen der SPD schadete, die CDU aber stärkte.

Die CDU konnte in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein jeweils leicht zulegen, stagnierte allerdings in Rheinland-Pfalz. Die Sozialdemokraten erlebten nicht nur in Baden-Württemberg ein Desaster: Dort erreichte Spitzenkandidat Dieter Spöri nur noch rund 25 Prozent und verlor damit rund 4 Prozent. In Kiel mußte Heide Simonis Federn lassen, dort verloren die Sozialdemokraten etwa 4 Prozent. Auch in Rheinland-Pfalz verlor die SPD unter Ministerpräsident Kurt Beck gegenüber den letzten Landtagswahlen etwa 4 Prozent der Stimmen. SPD-Bundesgeschäftsführer Müntefering zeigte sich dennoch „voll befriedigt“. Die Regierung Beck sei eindeutig bestätigt worden, und in Schleswig-Holtstein liege Heide Simonis vorn. Die Machtverhältnisse in Bonn hätten sich allerdings „nicht verändert“.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Teufel (CDU) erklärte, die SPD habe eine Quittung für ihren „menschenverachtenden Wahlkampf“ bekommen. Er spielte damit auf die Aussiedlerfrage an, die Spöri in dem Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt hatte.

In Baden-Württemberg gelang den rechtsradikalen „Republikanern“ ein Wiedereinzug ins Parlament. Die Partei verlor zwar mehr als 2 Prozent, konnte aber immer noch rund 9 Prozent erreichen. Dennoch hat sich die Fortführung der bisherigen Großen Koalition erledigt. Denn CDU und FDP erhalten zusammen eine deutliche Mehrheit der Mandate im Stuttgarter Landtag. „Ich bin sehr glücklich, ich freue mich riesig“, erklärte der Stuttgarter FDP-Chef Walter Döring. „Das ist ein klarer Auftrag, Gespräche mit der FDP zu führen“, freute sich Erwin Teufel (CDU): „Die Große Koalition ist mit dem heutigen Tage zu Ende.“ DSP- Parteichef Ulrich Maurer machte die Koalitionskrise in Nordrhein-Westfalen für das Desaster verantwortlich. Spitzenkandidat Dieter Spöri kündigte an, nicht mehr für Spitzenämter seiner Partei zur Verfügung zu stehen: „Die Enttäuschung ist nicht mehr steigerbar.“

In Rheinland-Pfalz bleibt es voraussichtlich bei der bestehenden Koalition zwischen SPD und FDP. Für ein Bündnis der SPD mit den Grünen reicht es nicht. Ministerpräsident Beck hatte zuvor bereits eindeutig ein Bündnis mit den Freidemokraten favorisiert – und gestern abend bestätigte die FDP ihren Willen zur bestehenden Koalition. Kurt Beck zeigte sich von seinem Wahlergebnis „einigermaßen befriedigt“.

In Schleswig-Holstein hat Heide Simonis die Auswahl zwischen FDP und Grünen, um eine Koalition zu bilden. Ihre absolute Mehrheit ist dahin. Bei einem Bündnis mit der FDP benötigten die Sozialdemokraten für eine sichere Mehrheit die Hilfe der SSW der dänischen Minderheit. Sollte allerdings die rechtsradikale DVU wieder ins Parlament kommen – sie lag bei Redaktionsschluß bei 4,7 Prozent –, wäre eine Koalition der SPD mit Grünen oder FDP allein rein rechnerisch nicht mehr möglich. klh Seite 2

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