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„Speckgürtel“ sozialdemokratisch entfettet

■ Im Hamburger Umland und bei den Jungwählern verlor die SPD am meisten Stimmen

Überall, wo sie antrat, bekam sie eins auf die Mütze: Die SPD verlor bei der Landtagswahl am Sonntag im Landesdurchschnitt 6,4 Prozent ihrer Wähler; sie verlor bei den Jungwählern, bei den Beamten und Angestellten, in den großen Städten und nicht zuletzt im gesamten Hamburger Umland.

Im „Speckgürtel“ gab es allerdings kein einheitliches Bild: Im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren ging ihr Stimmenanteil überdurchschnittlich in Segeberg-Ost um 7,2 Prozentpunkte und in Norderstedt um 6,8 Prozentpunkte zurück. In den Wahlkreisen Ahrensburg, Stormarn und Pinneberg-Elbmarschen wanderten SPD-Wähler im Umfang von jeweils 6,7 Prozentpunkten ab. Geringere Einbußen als im schleswig-holsteinischen Durchschnitt verzeichnete die SPD in den Wahlkreisen Lauenburg-Nord mit minus 3,9, in Pinneberg mit minus 4,5 und Segeberg-West mit minus 4,7 Prozentpunkten. Auch in den Wahlkreisen Lauenburg-Mitte und -Süd, in Pinneberg-Nord und Segeberg-Mitte blieben die Verluste knapp hinter dem Landesdurchschnitt zurück.

Die Sozialdemokraten verloren vor allem viele Jungwähler. Unter den 18- bis 24jährigen büßten sie nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Infas satte 9,3 Prozent der Wählerstimmen ein – zugunsten der anderen künftig im Landesparlament vertretenen Parteien: Die Grünen gewannen 7,9 Prozent der Jungwähler-Stimmen hinzu, die CDU 3,1, die FDP 0,7 und der SSW 2,9 Prozent.

Überdurchschnittliche Einbußen hatten die Sozialdemokraten auch bei Beamten und Angestellten: In dieser Wählergruppe wanderten im Landesdurchschnitt sieben Prozent ab. Die CDU dagegen bekam von den Beamten und Angestellten 3,4 Prozent mehr Stimmen, die Grünen 4,1 Prozent.

Insgesamt wanderten 89.000 Wähler von der SPD ab, 21.000 davon zur CDU, 16.000 an die Nichtwähler und 23.000 an die Grünen. Die CDU gewann 57.000 neue Wähler für sich: Neben den Abwanderungen von der SPD bekam sie 15.000 Stimmen von der DVU und 21.000 aus dem Lager der Nichtwähler.

Die Grünen legten in allen 45 Wahlkreisen zu, am stärksten in den größeren Städten und im Hamburger Umland. Im Wahlkreis Kiel Mitte erreichten die Grünen mit 16,2 Prozent das landesweit beste Ergebnis. In insgesamt zehn Wahlkreisen wurde ein zweistelliges Resultat erreicht, darunter in Halstenbek und Wedel mit 11,3 Prozent die Spitzenresultate im „Speckgürtel“. In ländlichen Gegenden wie Dithmarschen oder Nordfriesland blieben dagegen die Zuwächse mit 0,6 oder 1,1 Prozentpunkten am geringsten.

Die rechtsextremistische Deutsche Volksunion (DVU) verlor gegenüber 1992 rund 30.000 Stimmen und landete bei 4,3 Prozent. Der Verlust von zwei Prozentpunkten verteilt sich über das ganze Land. Die Hochburgen blieben Lauenburg-Süd mit 7,1 Prozent sowie ausgerechnet die Städte Lübeck und Mölln mit jeweils 6,2 Prozent.

Besonders auffällig ist das Abschneiden der Parteien in Südtondern an der deutsch-dänischen Grenze: Hier verdoppelte der langjährige Abgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbandes, (SSW), Karl Otto Meyer, als Direktkandidat mit über 3300 Stimmen fast den SSW-Anteil.

Die großen Parteien waren die Leidtragenden: Die SPD verlor 9,3 Prozentpunkte und die CDU, die im Landesdurchschnitt 3,4 Prozentpunkte zulegte, kam lediglich auf einen Zugewinn von 0,3 Prozentpunkten. Den höchsten Stimmenanteil verbuchte der SSW, der traditionell nur nördlich des Nord-Ostsee-Kanals antritt und von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist, im Wahlkreis Flensburg- West mit 23,7 Prozent.

Am schwersten fällt die Analyse bei der FDP: Im gesamten Land gibt es keine nennenswerten Abweichungen vom 5,7-Prozent-Landesdurchschnitt. Keine Antwort haben die Auguren weiterhin auf die Frage, wer diese Partei überhaupt wählt. Sven-Michael Veit

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