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Bühnendiva mit Goldkettchen

■ Volle Einkaufstaschen statt LSD und Ecstasy: Marc Almonds neue CD heißt trotzdem "Fantastic Star"

Eigentlich wollte er sich auf dem neuen Albumcover einen Ringkampf mit einem schwarzen Panther liefern. Doch das erlaubten die britischen Behörden nicht. Nun hängt Marc Almond also in einem Sessel, und zu seinen Füßen sitzt ein großer schwarzer Hund, der den zierlichen Sänger fast überragt.

Die ironische Pose eines Popstars, der nie wirklich ein Star sein will, sondern immer wieder an Ruhm und Rummel zweifelt, um sich gleich darauf in den verschiedensten glamourösen Rollen zu gefallen. „The Stars We Are“ hieß eines seiner früheren Alben, „Fantastic Star“ ist der Titel der neuen CD. Und wieder ist Marc Almond die Bühnendiva, die ihre großen Gesten nie ganz ernst meint, sie aber auch nie denunziert, weil sie im Dienst der Songs stehen: „There's a bit of Shirley Bassey in me, I think.“

„Fantastic Star“ ist das erste Studioalbum nach einem heftigen Drogenproblem und einem wohl nicht ganz ernstgemeinten Abschied vom Musikgeschäft vor vier Jahren. Fraglicher als das Comeback war das Wie: Würde Marc Almond, der schon in so vielen Rollen auf der Bühne stand, als Matrose wiederkommen oder als Torero? Als Adonis, Engel, Las-Vegas-Star, Leichtmatrose oder Chansonnier?

Das Outfit ist ein bißchen zuhältermäßig dieses Mal, ganz in schwarz. Mit Sonnenbrille, einer fetten Wumme und Goldketten, die prächtig harmonieren mit seinen dreißig prolligen Tattoos. Musikalisch besinnt sich Almond, der nun schon seit mehr als fünfzehn Jahren im Geschäft ist, auf den Synthie-Pop seiner Anfangszeit als Teil des Duos „Soft Cell“. Die akustischen Ausflüge zu Jacques Brel, Kurt Weill, zu Judy Garland und Juliette Greco sind erst mal beendet. Dancefloor ist wieder dran, härter und trashiger als zuvor, angereichert mit dem Glam-Rock der Siebziger und punkigen Elementen.

Ähnlich wie jüngst Boy George läßt auch Marc Almond wieder Gitarren erklingen. Er habe mal seine „Rock'n'Roll-Seite“ zeigen wollen, meint er: „Ich gehe zurück zu meinen Wurzeln, Elvis Presley, T. Rex, David Bowie, Iggy Pop, das alles wollte ich mal zusammenbringen – in der Haltung der neunziger Jahre und in meinem Stil. Nicht entweder Kylie oder Techno: sondern tanzbarer Pop mit einer dunklen Unterströmung. Ein bißchen Tragödie, wie immer bei mir.“

Ganz zum Rocker mutiert ist Almond freilich nicht. Der schwule Sänger steht weiter zu Pathos und Kitsch. Er ist eben ein Meister des Torch Songs, der sentimentalen Liebesklage – möglichst untermalt von Glocken und Chor (Almond tritt gern in Kirchen auf und wohnt auch in einem umgebauten Gotteshaus).

Vergebliche Liebe, verblichene Stars, Todessehnsucht, das waren schon immer Almonds Themen. Diesmal aber bezieht er sich direkt auf die eigene Biographie: „Das neue Album reflektiert die Rückkehr aus einem sehr dunklen Abschnitt meines Lebens. Ich bin wieder zu mir gekommen.“

Nach Jahren auf LSD, Ecstasy, Kokain und Tranquilizern hat sich Almond von den Drogen abgewandt: „Ich habe jede Droge der Welt zweitausendmal genommen, davon hatte ich genug.“ Er raucht nicht mehr, er trinkt nicht mehr, er ist in jeder Hinsicht clean, und so heißt das letzte Lied der Platte auch „Shining Brightly“.

Doch die reinliche, techno-inspirierte Hymne bedeutet keineswegs, daß Almond nun auch anderen Leuten Abstinenz predigen will: „Das muß jeder selbst entscheiden. Es ist doch lächerlich, wenn Drogenabhängige als Experten auftreten und anderen erzählen: ,Nehmt keine Drogen!‘“

Nüchtern betrachtet ist das neue Album ein Versuch, das alte Selbstvertrauen wiederzugewinnen. Dabei setzt er auf bewährte Sounds, die die Fans bedienen und gleichzeitig im modischen Retrotrend liegen. Almond hat aus seiner koketten Klage, daß „Pop sich selbst auffrißt“ (und die ihn zum Chanson führte), wieder mal eine Tugend gemacht: „In den Neunzigern gibt es kaum noch originelle, originäre Musik. Es geht um Recycling, Remixing.“

Daß dabei doch noch was Eigenes herausgekommen ist, liegt an Almonds besonderen Qualitäten in punkto Arrangement. „Electro- Cabaret-Burlesque“ sagt er dazu, Synthie-Bombast also, der Spaß macht und nur an ganz wenigen Stellen verflacht.

„Out There“, ein Song über einen Go-go-Tänzer in New York, erinnert noch am stärksten an Soft Cell und die frühen achtziger Jahre: Die Rhythmusmaschine diktiert.

Die Brücke zum aktuellen Dancefloor schlägt mit der Hochgeschwindigkeitsmundharmonika der Disco-Lovesong „Adored and Explored“. Dazwischen finden sich mal Abba-Tasten als Break („Shining Brightly“), ein Slade- mäßiger Chor von Kerlen („On the Prowl“), aber auch sentimentale Töne der sechziger Jahre, die an Roy Orbison erinnern („Edge Of Heartbreak“).

Im Song „The Idol“, guter Mitklatsch-Rock der Siebziger, geht es um Stars, die noch größer wurden durch ihren frühen Tod. Dafür dürfte es bei Almond, der bald vierzig wird, schon zu spät sein. „Ich habe nicht vor, in den nächsten Jahren in Flammen aufzugehen wie all die großen Stars. Eine nette Idee, auf spektakuläre Weise zu sterben, doch momentan lebe ich ziemlich gern. Ich respektiere den Tod, weil ich das Leben liebe.“ Und das mit dem Drogenproblem hat er auch schon im Griff: „At the moment I'm simply addicted to shopping!“ Philipp Kahle

Aktuelle CD: „Fantastic Star“ (Some Bizarre/Mercury)

Tourneedaten: 26. 3. Bielefeld, 28. 3. Hamburg, 29. 3. Hannover, 30. 3. Bremen, 1. 4. Berlin, 2. 4. Halle, 3. 4. Dresden, 5. 4. Mainz, 6. 4. Mannheim, 7. 4. Nürnberg, 9. 4. München

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