: Auf Friedensfahrt
■ Die Chefin der Belgrader Soros-Stiftung und der Gründer von Radio B92 über Milosevics Strangulierungspläne
Sonja Licht und Veran Matić stören. Sie stören in Belgrad, weil sie am frisch aufgetragenen Blattgold des Friedensengels Slobodan Milošević kratzen. Und sie stören im Westen, weil sie darauf insistieren, daß nach Abschluß des Dayton-Abkommens auf dem Balkan nicht alles in Butter ist. Sonja Licht und Veran Matić touren gegenwärtig durch Westeuropa, um bescheiden darauf hinzuweisen, daß sie noch lebt, die serbische demokratische Opposition, daß Milošević ihr die Luft abschnüren will und daß die westliche Öffentlichkeit sich nicht im mindesten dafür interessiert.
Im Frankfurter „Palais Yalta“, ihrer Deutschlandstation, führen sie Klage: „Im Westen ist man vollständig auf den Dayton-Friedensschluß fixiert, weil man glaubt, damit die leidigen balkanesischen Wirren los zu werden. Aber ein solcher Frieden wird nur von kurzer Dauer sein. Wirklicher Frieden kann nur dort entstehen, wo demokratische Verhältnisse herrschen.“
Sonja Licht, Veteranin des Belgrader Mai 1968 und hartgeprüfte Friedensaktivistin, steht seit 1991 der (rest)jugoslawischen Soros- Stiftung vor. Das ist eines der zahlreichen Unternehmungen, mittels derer der ungarisch-amerikanische Multimillionär Soros unabhängige humanitäre und demokratische Initiativen vor allem im ehemaligen Ostblock unterstützt. 41 Millionen Dollar hat diese sanfte, wenngleich scharfzüngige Statthalterin des Spekulanten-Menschenfreunds bereits verteilt – meist an der offiziellen Machtstruktur Rest-Jugoslawiens vorbei. Sie hatte immer Ärger, aber jetzt droht der Soros-Stiftung das Aus. Nach einer intensiven Pressekampagne entzog der Kulturminister der Stiftung 1995 die Zulassung, jetzt hat das Oberste Gericht der Föderation diesen Entscheid bestätigt.
„Trouble is my business“ könnte auch Veran Matić sagen. Er hat 1992 den Radiosender B92 gegründet, dem mittlerweile ein Klub, ein Verlagshaus und eine Filmproduktion angeschlossen sind. Um den Mini-Konzern und seine etwa hundert Mitarbeiter scharen sich die Reste der demokratischen Opposition. Der Ton des Unternehmens ist antiautoritär-subversiv. Als es dem Radio, das bis heute keine gültige Lizenz hat, zum ersten Mal an den Kragen gehen sollte, nahm das B-92-Team die Gleichschaltung vorweg und sendete ohne Unterbrechung patriotische Gesänge und kriegsbegeisterte Kommentare. Angesichts des Massen-Wutausbruchs der Hörer nahm die Regierung vom Verbot Abstand.
All das war und ist Herrn „Slobo“ lästig, aber Sonja Licht wie Veran Matić brachten das Faß zum überlaufen, als sie im August und September letzten Jahres Hilfsaktionen großen Stils zu Gunsten der serbischen Flüchtlinge aus der Kniner Krajina organisierten. Milošević hätte den riesigen Flüchtlingstreck am liebsten totgeschiegen, abgeblockt bzw. in die Wojwodina und den Kosovo, ins Siedlungsgebiet der Ungarn und Albaner, umgelenkt. Dank B92 und der Soros-Stiftung, die sich mit einem Sofortprogramm vor allem für die Flüchtlingskinder und deren Betreuung engagierte, wurde der Exodus zum Politikum, das auf die Verantwortung der serbischen Nationalisten für den ganzen Krieg zurückverwies.
Obwohl aus neuesten Umfragen hervorgeht, daß von 10 Millionen Serben sich nur 600.000 aus regierungsunabhängigen Medien informieren, sind die Informationsmonopolisten damit noch nicht zufrieden. Der unabhängige Belgrader Fernsehsender „Studio B“ wurde kürzlich „kommunalisiert“, das heißt der Kontrolle der in Belgrad herrschenden Sozialistischen Partei unterstellt. Private Fernsehlizenzen erhalten so seriöse Medienleute wie der Söldnerchef Arkan, der in Bosnien und Slawonien bewiesen hat, wie kurzweilig er zu unterhalten versteht. Bislang waren alle Lizensierungversuche für Radio B92 vergeblich. Falls ihm die Frequenz entzogen wird, bedeutet das auch „Aus!“ für die kleineren unabhängigen Radios im serbischen Hinterland, die das Programm von B92 übernehmen.
Das Verbot der Soros-Stiftung zieht vor allem eine humanitäre Katastrophe nach sich. Krankenhäuser müssen auf teure Medikamente verzichten, die Hilfsprogramme für Kinder können nicht fortgeführt, die Flüchtlingszentren nicht mehr alimentiert werden. Niemand springt ein, Soros ist der einzige westliche Geldgeber. Auch Veran Matić ist betroffen. Zahlreiche Projekte, die unter dem Schirm von B92 arbeiten, werden von der Stiftung subventioniert. Aber Matić ist ein Sponti, glaubt an Vernetzung, Selbsttätigkeit, Basisinitiative. „Sollen sie uns abschalten“, sagt er, „unsere Bewegung ist jetzt stark genug, um zu überleben“ Christian Semler
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