: Die Opposition hat der SPD nicht genutzt
■ Infas-Analyse: FDP hat vor allem durch „taktische Wähler“ zugelegt
Bonn (dpa) – Drei Trends kennzeichnen den Wahlausgang der Landtagswahlen: Stabilisierung der Bonner Koalitionsparteien; die konsequent als Steuersenkungspartei angetretene FDP hat ihren Niedergang als Regionalpartei gestoppt. Markant sind die Verluste für die SPD, die im Norden noch stärker als im Süden waren.
In Schleswig-Holstein fiel die SPD auf Positionen der 60er Jahre zurück. Per Saldo etwa 15.000 Wähler wanderten von der rechtsextremen DVU zurück zur CDU, die darüber hinaus von der SPD sowie durch Mobilisierungserfolge je ca. 20.000 Stimmen zusätzlich gewann. Die SPD verlor dagegen in alle Richtungen, dabei nahezu gleichermaßen an die Grünen (-23.000) bzw. an die CDU (-20.000). Auch Wahlenthaltung (-15.000) und Verluste an die Wählergemeinschaft Schleswig-Holstein (-10.000) schwächten die Regierungspartei. Wenig attraktiv war die SPD für Erstwähler, was sich in einem Verlust von etwa 18.000 Stimmen beim Generationswechsel niederschlug. Die Grünen dagegen haben ihre Stellung bei der jungen Generation weiter ausgebaut – 19 Prozent der Jungwähler wählten die Grünen.
Fast die Hälfte wollte Rot-Grün verhindern
In Rheinland-Pfalz verdankt die FDP ihre deutlich gestärkte Position jenen rund 50.000 taktischen Wählern, die sich mit ihrer Wahlkreisstimme für eine der anderen Parteien entschieden hatten. Dabei haben von den FDP-Landesstimmen- Wählern doppelt so viele die Erststimme der CDU gegeben wie der SPD. Die Zweitstimmenkampagne der Liberalen in der letzten Phase des Wahlkampfes hat offensichtlich gezündet, das taktische Splitting wurde wesentlich stärker als bei der letzten Landtagswahl und in ähnlichem Ausmaß wie bei Bundestagswahlen in Anspruch genommen. Hierbei kam der FDP nicht allein das Argument der Mehrheitsbeschaffung zugute, es war verbunden mit dem Wunsch, eine rot-grüne Mehrheit im Land zu verhindern: 47 Prozent der Rheinland-Pfälzer hätten eine Regierung aus SPD und Grünen als schlecht für das Land empfunden.
Das SPD-Wählerlager war gespalten zwischen landespolitischer Kontinuität im Bündnis mit der FDP und der, allerdings durch die Koalitionskrise in Düsseldorf überschatteten, rot- grünen Perspektive für die Bundespolitik. Dies drückte sich aus in direkten Wählerabwanderungen sowohl von der SPD zu den Liberalen (knapp 20.000) als auch zu den Grünen (12.000). Aber auch Wählerverluste in Richtung CDU (fast 20.000) sowie zu den rechtsextremen „Republikanern“ (gut 10.000) hatten die Sozialdemokraten zu beklagen. Noch gravierender waren offenkundige Mobilisierungsschwächen der SPD, die bei ihr mit einem Minus von 50.000 etwa dreimal so stark zu Buche schlugen wie auf dem Konto der CDU.
Die SPD bekam nirgends einen Oppositionsbonus
Die Einbußen nach allen Seiten machen deutlich, wie wenig es der SPD gelang, auf Landesebene einen bundesweiten Oppositionseffekt herbeizuführen, wie man ihn angesichts der massiven, mit heftiger Kritik an der Bundesregierung verbundenen Sorgen um Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsmarkt hätte erwarten können.
In Baden-Württemberg verbesserte die CDU ihre Positionen mit 41,3 Prozent nur wenig; die SPD setzte ihren Abwärtstrend fort und markierte mit 25,1 Prozent einen historischen Tiefstand. Mehr als 250.000 Stimmen haben die Sozialdemokraten verloren, die knappe Hälfte davon durch Wahlenthaltung; der Rest ging zu ähnlich großen Teilen an CDU, Grüne, FDP und den Generationenwechsel. Lediglich mit den „Republikanern“ gab es keinen nennenswerten Wähleraustausch.
Überall gingen die SPD-Anteile zurück, in den Städten nur wenig mehr als auf dem Land. SPD-Verluste gab es auch in allen Bevölkerungsschichten. Bei den Jungwählern fiel die SPD gegenüber CDU und Grünen auf den dritten Platz zurück, bei den Arbeitern wurde sie von der CDU überrundet. Lediglich Arbeitslose (30 Prozent) und Gewerkschafter (38 Prozent) haben mehrheitlich SPD gewählt.
Die CDU gab fast 80.000 Stimmen an die FDP ab, konnte diese aber durch ebenso große Zugewinne von rechts wie von links kompensieren. Darüber hinaus hat die Union trotz der geringeren Wahlbeteiligung 30.000 frühere Nichtwähler mobilisiert. Die FDP schließlich erzielte mit 9,6 Prozent ihr bestes Resultat seit 1972; die Grünen verbuchten mit 12,1 Prozent erstmals einen zweistelligen Stimmenanteil, und die „Republikaner“ behaupteten sich mit 9,1 Prozent unerwartet gut.
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