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WühltischGlücksmoment von Eigenleistung

■ Energetische Schnäppchen: die Muskeln schwellen von selbst

Die Trimm-dich-Bewegung der siebziger Jahre hatte etwas eindeutig Wandervogelhaftes. Auf Waldparkplätzen turnten müde Autofahrer an Klettersprossenwänden, und handgeschnitzte Hinweispfeiler gaben Anleitung zur richtigen Dosierung von Kniebeugen. Die ganze Veranstaltung war eine etwas unbeholfene Verausgabung von Energien, die das Arbeitsleben offenbar nicht mehr abverlangte. Dementsprechend haftete auch den Heimgeräten noch die Mühsal körperlicher Betätigung an. Der Expander sah aus wie der Transmissionsriemen eines Flaschenzugs, und das Fitneßrad war nur ein Fahrrad, mit dem man auf der Stelle strampelte. Nach Vollzug schweißtreibender Qualen winkte Belohnung in einem Glücksmoment von Eigenleistung. Wer heute einen Hometrainer besteigt, der muß sich zunächst mit dem Armaturenbrett seiner universellen Meßstation vertraut machen, und der einsame Jogger im Park wandelt versunken auf zwei kunststoffbeschichteten Technologiepaketen.

Unterdessen ist von einem neuen Trend in der Fitneßwelt zu berichten, für den die praktischen „AeroGloves“ zum Preis ab etwa 50 Mark ein hübsches Beispiel geben. Auf die Handrücken der (blauen oder schwarzen) fingerlosen Handschuhe sind Gewichte (ein oder zwei Pfund) eingenäht, so daß beiläufig zum Jogging, Walking oder Aerobic die Armmuskulatur trainiert werden kann. Die „AeroGloves“ bestechen durch ihre Synergieeffekte (so nennen Wirtschaftsleute in letzter Zeit häufig etwas, das trefflich zusammenwirkt, obwohl es in den Konzeptionen nicht vorgesehen war). Während beim Laufen die Arme mehr oder weniger sinnlos herumschlackern, wird ihnen mit Hilfe der „AeroGloves“ gezielte Muskelkontraktion abverlangt. Wir haben es hier mit einem energetischen Schnäppchen zu tun, denn wo früher Hanteltraining nötig war, schwellen die Muskeln nun beinahe ganz von allein. Als Nutznießer solcher Zeitersparnis denken wir uns Berufstätige des tertiären Bereichs, Designer, Art-directors, Projektleiter, die sich von ihren Leibesübungen vor allem eine Art Kreativitätsschub erhoffen. Diesbezüglich äußerte sich bereits Brecht recht skeptisch, verwies aber andererseits darauf, daß „größere Teile der kulturellen Produktion der letzten Jahrzehnte durch einfaches Turnen und zweckmäßige Bewegungen im Freien mit großer Leichtigkeit zu verhindern gewesen“ wären. Er selbst hielt also viel von sportiver Betätigung, hatte seinen Punchingball aber nicht zuletzt deshalb angeschafft, weil er „meinen Besuchern Gelegenheit gibt, meine Neigung zu exotischen Dingen zu bekritteln, und weil er sie zugleich hindert, mit mir über meine Stücke zu sprechen“.

Aus ähnlichen Beweggründen ist wohl die Schauspielerin Christine Kaufmann unter die Erfinder exklusiver Fitware gegangen. Einen aufblasbaren Rettungsreifen für Kinder hat sie in ein Schönheitskissen umfunktioniert, was Schnäppcheneffekte im kosmetischen Bereich verspricht. Wer sein Haupt nächtens auf ihr in Marokko gefertigtes Kissen mit einem Bezug aus „Kotton african“ bettet, bekämpft so wirkungsvoll das „Schrumpelige am Dekolleté“. Das Schönheitskissen macht Schluß mit dem morgendlichen Knittergesicht, und man muß nichts weiter dafür tun als schlafen. Als Kundin für ihr Schönheitskissen hat Frau Kaufmann die emsige Geschäftsfrau im Visier. Wir lernen daraus, daß synergetische Fitware nichts für Müßiggänger ist. Größte Bedrohung für jede Variante der Fitneßbewegung ist denn auch die Arbeitslosigkeit. Den Arbeitslosen denken wir uns ja gerade nicht im Leibchen an der Reckstange, was vielleicht ein schönes Sinnbild seiner Situation abgäbe, sondern überwiegend biertrinkend vorm Fernseher, keine Spur von Synergieeffekten im Sinn. Harry Nutt

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