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Polizei und Hexen proben die Deeskalation

■ „Sicherheitspartnerschaft“ zwischen Initiative und Polizei zur Walpurgisnacht

In diesem Jahr soll alles anders werden. Wenn in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai nach Schätzungen der Veranstalter 15.000 Hexen, Schaulustige und Feiernde um die Walpurgisnachtfeuer am Kollwitzplatz tanzen, soll sich die Polizei zurückhalten. Darauf haben sich zumindest die „Initiative Walpurgis 96“ und Vertreter der Polizei geeinigt. Die Walpurgisnachtinitiative hatte sich im Mai letzten Jahres gegründet, nachdem es im Anschluß an einen Polizeieinsatz gegen die Feiernden zu stundenlangen Straßenschlachten in Prenzlauer Berg gekommen war.

Kern der Sicherheitspartnerschaft ist nach Angaben von Nilson Kirchner, einem der Begründer der Walpurgisnachtinitiative, die Aufstellung eines Ordnungsdienstes durch die Veranstalter sowie die Präsenz von 90 mit einer Armbinde gekennzeichneten Zivilbeamten der Polizei. Im Gegenzug verpflichteten sich die Ordnungshüter, in der näheren Umgebung des Kiezes nur mit Verkehrspolizisten vor Ort zu sein. „Die Polizei hat uns zugesagt, daß sie in der Walpurgisnacht nicht nach den Buchstaben des Versammlungsgesetzes handelt“, sagt dazu Nilson Kirchner. Im Klartext: Ein Hexentuch und ein Hexenbesen müssen nicht zwangsläufig die Auflösung der Veranstaltung wegen Vermummung oder Bewaffnung nach sich ziehen. Besonders erfreut zeigte sich Kirchner, daß die Polizei sogar zugesagt habe, die Einsatzkräfte vor Ort vor der Walpurgisnacht einem Deeskalationstraining zu unterziehen.

Zu den Walpurgisfeiern am Kollwitzplatz werden in diesem Jahr vier offiziell genehmigte Feuer in der Kollwitzstraße, der Knaackstraße und am Wasserturm bis vier Uhr morgens brennen. Für die Versorgung der Besucher mit Essen und Trinken sorgen die umliegenden Kneipen, die sich an den Kosten der Feier beteiligen. Daß die Initiative durch eine Großveranstaltung erst recht Autonome und Neugierige nach Prenzlauer Berg lockt, weist Kirchner von sich. „Es geht darum, dafür zu sorgen, daß hier friedlich gefeiert werden kann“, sagt er. Gegen die Sicherheitspartnerschaft sind allerdings auch schon Stimmen aus dem autonomen Spektrum laut geworden. „Das hat Züge einer alternativen Bürgerwehr“, sagt ein Bewohner des Helmholtzplatzes und verweist auf die Tradition der Feiern, die seit 1990 unorganisiert stattgefunden haben. Kirchner kann die Kritik freilich nicht nachvollziehen: „Die, die jetzt schimpfen, lassen sich bei einem Rockkonzert doch auch filzen“, sagt er. Uwe Rada

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