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■ StandbildNicht mehr normal

„N.Y.P.D. Blue“, montags, 22 Uhr, Pro 7

Seit ich einst aufgehört hatte, Sesamstraße zu gucken, kam ich mir in Gegenwart von Serienexperten stets ausgeschlossen und vor allem anormal vor.

Vor kurzem änderte sich das. Ich hatte festgestellt, daß ich mich montags unbedingt erholen mußte – zu Hause auf dem Sofa. Allerdings ist der Montag kein besonders guter Fernsehtag. Deshalb war ich überaus glücklich, als ich „N.Y.P.D. Blue“ entdeckte: eine prima Krimiserie mit Geschichten, die keine Einschlafstörungen provozieren.

„Ich habe jetzt auch eine Serie“, verkündete ich stolz im Bekanntenkreis. Ich bestand darauf, mich montags ab 22 Uhr bloß nicht zu stören. „Da gucke ich nämlich“ – der Titel kam mir immer flüssiger über die Lippen –„enuaipidiblu“. Ich war glücklich. Ich lernte sogar einen weiteren Fan der Reihe kennen, mit dem ich in den Werbepausen telefonisch die Handlung diskutierte. „Mir gefällt dieser neue, schwule Aushilfsbeamte“, sagte ich dann zum Beispiel. „Das gibt noch Ärger“, meinte er.

Alles war gut – bis zum letzten Montag. Fröhlich summend schaltete ich den Fernseher ein: Kung Fu. Kurze Überprüfung des Fernsehprogramms, des Senders und der Uhrzeit: alles stimmt, bis auf das Bild. Kung Fu! Aufgeregt greife ich zum Telefon. „Hast du auch Kung Fu?“ frage ich verzweifelt meinen N.Y.P.D.-Blue-Freund. Vielleicht bin ich ja Opfer eines Kung-Fu-Piratensenders, der nur meinen Straßenzug stört. Umsonst gehofft: „Ja.“ In der ganzen Stadt, ermitteln wir schnell, üben sich Karatekämpfer auf Pro 7. Ich beschließe, direkt in München nach den Gründen für die Programmänderung zu fragen. Aber um Viertel nach zehn nimmt dort niemand den Hörer ab. Nicht mal nach 23 Klingelzeichen. Muß ich noch erzählen, wie unsere eilig gegründete Selbsthilfegruppe unter Tränen zusammenbrach? Wie wir ziellos durch die Nacht irrten und erst frühmorgens nach Hause zurückkehrten, leere Bierdosen schwenkend?

Der Montag wird fortan ein furchtbarer Tag sein. Für jemanden, der nur ein normales Leben führen wollte, ist das schwer zu verkraften. Pro 7! Das verzeihe ich dir nie. Carola Rönneburg

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