: Gräßlich -betr.: "Dann ist Konkurs", taz vom 21.3.1996
Betr.: „Dann ist Konkurs“, taz vom 21.3.
Rund zwanzig Jahre lang zieht sich die Diskussion über die zunehmende Arbeitslosigkeit in unseren Zeitungen hin. Es wurden unzählige hochwissenschaftliche Vorschläge zu ihrer Bekämpfung unterbreitet. Dies alles ohne den geringsten Erfolg. Statt dessen drängt sich uns nachfolgendes Bild und Fragen auf. Beharrlich ziehen die Pleitegeier auch über dem Industriestandort Deutschland ihre Kreise. Immer häufiger setzen sie mit schwerem Flügelschlag langsam und behäbig zur Landung auf einem verendenden Industriegiganten an. Im Augenblick kreisen sie z.B. über Bremens Vulkanwerft. Wenn nun in unserem Lande immer mehr Industriekadaver anfallen, die von den Pleitegeiern des internationalen Kapitals zerfleddert werden, wo bleiben dann unsere Tauschmöglichkeiten hochwertiges Industrieprodukt gegen Bananen oder andere Nahrungsmittel aus dem Ausland?
Hier stellt sich die Frage, wie wir dem Massensterben unserer von Pleitegeiern umschwebten Industriegiganten begegnen können. Etwa durch Fusionen? Das können die im Ausland viel besser. Etwa durch den Export immer mehr hochkomplizierter technischer Waren? Die werden im Ausland abgekupfert und auf dem Weltmarkt verramscht. Schließlich haben die Söhne der 3. und 2. Welt an unseren Universitäten studiert.
Was machen mit der unaufhaltsam steigenden Arbeitslosenzahl als sozial übelriechende Verwesungsprodukte der Industriekadaver? Müssen nicht unsere Arbeitslosen ernährt und sinnvol sozial eingebunden werden? Daher die weitere Frage: Sind unsere Landwirte mit ihren Anbauflächen in der Lage, unserer Nation die Grundernährung sicherzustellen, wenn der Eintausch von Lebensmitteln oder Rohstoffen gegen hochwertige Industrieprodukte nicht mehr zur Deckung der Nahrungsengpässe ausreicht? Wie steht's mit den Anbauflächen, dem Wasser in den Flüssen, Seen und Bächen? Wurden sie inzwischen in riesigen Arealen durch die Industriegiganten so aufgebraucht?
Es könnte ja sein, daß sich eines Tages zu den über dem Industriestandpunkt Deutschland unablässig kreisenden Pleitegeier ganz echte Geier gesellen, die den verhungernden und vergifteten in den letzten Zuckungen auf dem Boden sich windenden menschlichen Elendsgestalten zu Leibe rücken wollen. Jesus hatte recht, als er weitsichtig verlauten ließ: Am Ende der Tage der Menschheit werden die Menschen durch Hunger, Epedemien und durch eine Unzahl von Kriegen gräßlich geplagt werden, denn das eine bedingt das andere. Eine weitsichtige Politik hätte zu allererst Sorge für Boden und Wasser tragen müssen. Eine gesunde Landwirtschaft garantiert eine gesunde Nation.
Friedrich Bode, Pastor i.R.
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