: Ewige Durststrecke
■ Auf der Basis von Idealismus und Selbstausbeutung macht das Junge Theater weiter / Benötigte Summe nicht erreicht
Die Durststrecke im Jungen Theater will kein Ende nehmen und scheint fast schon zum Programm zu gehören. 340.000 Mark wollten der neue künstlerische Leiter Ralf Knapp und sein Ensemble bis zum 31. März zusammenhaben, um den Spielbetrieb fortsetzen zu können. Die Summe sei „das absolute Existenzminimum“, so Knapp gestern auf einer Pressekonferenz. Mit weniger „brauchen wir gar nicht erst anzufangen“. Jetzt sind bloß 290.000 Mark zusammengekommen, und das Junge Theater macht trotzdem weiter. Was als trotzige Inkonsequenz gewertet werden könnte, ist für Ralf Knapp kein Problem: Zur Zeit gebe es ein „unheimliches Taktieren“, aber es könne nicht angehen, erst dann einen Spielplan für die nächsten Monate zu entwickeln, wenn die benötigte Summe aufgetrieben ist.
Im Moment bedankt sich Ralf Knapp erstmal artig bei den drei Sponsoren Waldemar Koch-Stiftung, Bremer Landesbank und Sparkasse, die mit 90.000 Mark eingetreten sind; bei der Kulturbehörde, die sich mit 150.000 Mark engagiert und den privaten Förderern. An die 100 Privatleute haben in den Fonds insgesamt 50.000 Mark eingezahlt. Verwendet werden darf der Fonds allerdings nur unter der Bedingung, daß die 340.000 Mark auch zusammenkommen. Eigentlich. Trotzdem sind Knapp und Ensemble-Mitglied Lutz Gajeweski guten Mutes, daß die Förderer, die „durch die ganze Bevölkerung gehen“, ihr Geld nicht zurückhaben wollen. Trotzdem waren die BremerInnen nicht genügend spendierfreudig. „Die Liebe zum Theater ist groß, größer als der Geldbeutel“, sagt Gajewski. „Viele wollten sich nicht festlegen, monatlich 100 Mark zu spenden.“ Noch fehlt dem Jungen Theater die potente Lobby, die, wie im Fall der Kunsthalle, in der Lage war, sieben Millionen Mark an privaten Fördermitteln aufzutreiben.
Selbst wenn das Haus in der Friesenstraße doch noch die Überlebensgrenze von 340.000 Mark erreicht, bleibt keine müde Mark davon für die künstlerische Arbeit übrig. Miete, Neben- und Telefonkosten fressen das Geld auf – und vier feste Stellen, davon eine, neu geschaffene, für die Buchhaltung. Neue Schauspieler werden für die nächsten Produktionen ins Haus geholt. Bloß verdienen werden sie nichts: Logis und Fahrtkosten, das ist alles an Sicherheit, was das Junge Theater derzeit bieten kann.
Knapp, vor vier Monaten angetreten, um den „Wildwuchs im Jungen Theater zu beschneiden“, will vor allem „Verantwortlichkeiten zuordnen“, damit sich nicht alle um „50 Prozent der Angelegenheiten kümmern und die anderen 50 Prozent liegen bleiben“.
Der Spielplan für die nächsten Monate steht schon. „Brisante gesellschaftliche Themen“ sollen aufgegriffen werden, Tabus wollen gebrochen werden, Unterhaltung soll geboten werden, „für die man sich nicht schämen muß“. Am Donnerstag steht erstmal die Premiere von Franz Xaver Kroetz' „Ich bin das Volk“ an. Die 24 „volkstümlichen Szenen aus dem neuen Deutschland“ hat Regisseur Knapp auf 13 gekürzt, dafür gibt's viel Musik. Eigenproduktionen sollen in Zukunft (falls es eine gibt) stärker das Profil des Hauses markieren. Mögliche Stoffe: Prosa oder Zeitungsmeldungen. Mu
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