Nachgefragt: „Das Stahlwerk wird Probleme bekommen“
■ Stahlexperte zur Zukunft der Hütte
Helmut Horn ist als Professor für Werkstoffkunde und Schweißtechnik an der Fachhochschule Hamburg ein ausgewiesener Experte der Stahlbranche. Zuvor war er zehn Jahre als Werkstoffwissenschaftler am Bremer Fraunhofer-Institut beschäftigt.
taz: Vor zweieinhalb Jahren haben Sie dem Bremer Stahlwerk noch fünf Jahre Lebenszeit gegeben (taz vom 23.12.93). Haben Sie Indizien dafür, daß Ihre damalige Prognose richtig war?
Helmut Horn: Unmittelbare Indizien gibt es dafür nicht, das muß man ganz klar sagen. Grundsätzlich halte ich allerdings die Prognose aufrecht, daß zum Ende dieses Zeitraums wieder erhebliche Schwierigkeiten aufkommen können.
Der Präsident der Deutschen Stahlindustrie, Ruprecht Vondran, geht davon aus, daß es in diesem Jahr mit der Stahlkonjunktur aufwärts gehen wird.
Grundsätzlich sagen die Prognosen für die Automobilindustrie, daß der Einsatz von Stahl und Eisen in den nächsten zehn Jahren um bis zu 15 Prozent sinken wird. Und die Stahlwerke Bremen haben immer noch eine relativ große Abhängigkeit von diesem Produkt, und das wird auch so bleiben. Das Stahlwerk ist auf die Zulieferung zur Automobilindustrie ausgelegt. Das bedeutet, daß dort Marktanteile verloren gehen werden.
Bei bestimmten Edelstählen nimmt der Absatz tatsächlich zu. Nur diese Stähle werden bisher – und auch in der Zukunft – nicht in Bremen hergestellt.
Noch arbeiten auf der Bremer Hütte 4.300 Menschen. Ist das nicht ein gutes Zeichen?
Ein schlechtes jedenfalls nicht. Aber das Problem ist, daß das Stahlwerk mit rund 4.000 Leuten schon an der Grenzkapazität arbeitet. Darunter kann es nicht betrieben werden.
Weitere Rationalisierungen sind nicht mehr möglich?
Nur noch marginal. Die Tendenz geht aber überall in Richtung kleinerer Stahlwerke mit 1.500 bis maximal 2.000 Beschäftigten. Und dafür ist das Bremer Stahlwerk einfach nicht ausgelegt. Was nicht heißt, daß es in Zeiten der Hochkonjunktur ausgelastet sein kann. Ob das aber auch zukunftsfähig ist, daran habe ich große Zweifel.
Inzwischen ist Sidmar in vollem Umfang bei den Bremer Stahlwerken eingestiegen. Welchen Vorteil haben die Belgier davon?
Sie haben einen Einstieg in das deutsche Automobilgeschäft. Das ist für einen Konzern wie Sidmar sicher interessant. Und sie haben Zugang zu der Bremer Feuerverzinkungsanlage. Das war das finanzielle Engagement sicher wert.
Kann der drohende Konkurs der Vulkan-Werften die Bremer Stahlwerke auch bedrohen?
Das spielt glücklicherweise keine Rolle.
Auch nicht über Probleme bei Vulkan-Zulieferern?
Nein. Die Bremer Stahlwerke produzieren die Art von Blechen nicht, die im Schiffbau nachgefragt werden.
Ihre Prognose ist nach wie vor: In zweieinhalb Jahren gibt es im Bremer Stahlwerk Probleme?
Es würde mich nicht wundern, wenn es dann Probleme geben wird.
Fragen: Dirk Asendorpf
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