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Nachschlag

■ „Aetas Mutationis“: Eine Ausstellung in der Nationalgalerie

Luigi Stoisa: Der Mond im Eimer, 1990 Foto: Katalog

An die Bilder der Pflastermaler, die irgendwann der Regen abspült, erinnert der Narziß, den Luigi Stoisa in eine Teerpfütze vor der Neuen Nationalgalerie gemalt hat. Schwarz und glänzend frißt der Teer die Malerei langsam auf. In der auf Sand gebetteten Lache spiegeln sich der dampfende Asphalt des Straßenbaus und die Lavaflüsse der Vulkane.

„Aetas Mutationis“, Zeitalter der Veränderung, heißt die Ausstellung vier italienischer Künstler, die den Umbau der Stadt in einem ästhetischen Prozeß überhöhen. Mit Worten, die sich hinter Absperrgittern verketten, eröffnet Annibel Cunoldi den Diskurs zwischen Material und Begrifflichkeit. Doch während die rostigen Fundstücke einen Bezug zu den Baugruben am Potsdamer Platz nahelegen, weisen die durchgespielten Metamorphosen der Formen weit in die Geschichte zurück. So scheinen die offenen Hütten, deren Außenwände Stoisa mit glitzerndem Schleifpulver bedeckt hat, als ein Urbild des Hauses, reduziert auf Wände und Dach, gerade hoch genug zum Unterstellen. Ebenso provisorisch wirkt ein Zellengebäude von Vittoria Messina. Als begehbare Skulptur geplant, wird es nun von schwarzen Kordeln abgesperrt. Denn Gasbetonsteine, Wellblechwände und Holzbalken werden nur von Schraubzwingen zusammengehalten. Neonröhren und Kabelstränge grenzen die Räume oben ab. In die Materialcollage aus dem geplünderten Baumarkt schiebt sich ein Raummuster, das in der Baracke die sakrale Zelle wiedererkennen läßt. So legt die dekonstruktivistische Offenbarung einen Kern anthropomorpher Raummaße bloß.

Dieser Transformation des ewig Gültigen steht mit Gilberto Zorio ein Anarchist gegenüber, dessen Maschinen pfeifend und furzend die Beseelung der technoiden Welt karikieren. Aufgeblähte Schweinshäute, denen schrill die Luft entweicht, und Staubsaugermotoren bringen Bewegung in zersägte Kanus und stählerne Schwenkarme. Spindeldürr und staksig beansprucht ihre ausgreifende Mechanik Raum, viel Raum, so daß der Besucher wie im realen Baustellenkorso zum Zickzackkurs genötigt wird. Am Ende aber fehlt dem metaphernreichen Spiel die kritische Schärfe. Die Zeitalter der Veränderung werden zum ewigen Prozeß der Geschichte stilisiert, ohne zu fragen, wem die Metamorphosen der Stadt nutzen. Katrin Bettina Müller

Bis 9. 5., Di.–Fr. 9–17, Sa./So. 10–17 Uhr, Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, Tiergarten

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