Zwischen allen Stühlen

■ Bücher von dem Gefühl, in der DDR etwas verloren zu haben

Jutta Schlott, Jahrgang 44, ist in der DDR aufgewachsen, sie war, bevor sie Autorin wurde, Dramaturgin am Schweriner Theater. Sie gehört also zu denen, die wissen müssen, wie es war – damals, vor und nach der Wende. Sie macht keinen Hehl daraus, daß sie lieber eine veränderte DDR, als gar keine gehabt hätte. Vielleicht erklärt das den manchmal sehr bitteren Ton zwischen den Zeilen, die Aufzählungen, was alles schlechter geworden ist im Vergleich zu früher. Vielleicht hätte sie auch ehrlicher sein und sich nicht hinter einer Mädchenfigur verstecken sollen, der sie nun stellvertretend den ganzen Erwachsenenfrust überstülpt.

Mit großem Abstand schiebt sie ihre Heldin vor sich her. Nennt sie häufig „das Mädchen“, die Eltern mit Vor- und Nachnamen. Das schafft Abstand; auch vom Leser. Jugendliche schätzen das nicht. Dabei ist die Geschichte eigentlich gut. Katharina und ihre Eltern werden durch die Wendefolgen aus ihrem gewohnten Leben katapultiert. An Katharinas 16. Geburtstag wird die DDR 40 und stirbt. Katharina verliert ihre beste Freundin. Sie entschwindet noch kurz vorher gen Westen. Ihre Eltern verlieren ihre Arbeit.

Seine neue Stelle, weit unter seiner Qualifikation, bekommt der Vater in Kornekamp, einem Provinznest im Mecklenburgischen. Der Umzug reißt Katharina aus allen Zusammenhängen. Sie lehnt das Kaff Kornekamp ab. Die Mitschüler nehmen sie nicht an. Wie ihre Mutter fällt sie in tiefe Depressionen, bis die große Liebe kommt und ihrem Leben den rettenden Kick gibt. Das könnte der Roman zum Zeitgeschehen sein, wäre er nicht sprachlich so antiquiert. Sätze wie „Katharina fühlte sich von der allgemeinen Lust, der Musik einen körperlichen Ausdruck zu geben, angesteckt“, sollte man dem Lektor um die Ohren hauen.

Der Russe von gegenüber

Im Alibaba-Verlag erschienen unter dem Titel „Roman und Juliane“ zwei Erzählungen von Jutta Schlott. Die erste Geschichte spielt noch vor der Wende. Ein Mädchen verliebt sich in einen russischen Jungen aus der neuen Wohnsiedlung von gegenüber. „Russenbraut“ spötteln die Mitschüler. Der Vater ist Mitglied der deutsch- russischen Freundschaftsgesellschaft. Doch diese Freundschaft wird nicht vom Gefühl getragen. Der Vater verbietet Juliane, sich weiter mit Roman zu treffen. Er greift dabei zu Mitteln, wie sie Eltern in ihrer Hilflosigkeit schon immer ergriffen haben. Juliane ist zwar schlauer, aber die Zeit arbeitet gegen sie. Eine traurige Geschichte, bei der alle verlieren.

Die zweite Erzählung „Golondrina“ ist sicher die leichteste von allen. Sie spielt in einem Dorf, an dessen Feldern schon die Braunkohlebagger nagen. Ein Filmteam hat sich eingefunden, um in maroder Fassade einen Film zu drehen. Die zwanzigjährige Anja hat gerade ihrem Freund den Laufpaß gegeben und beschlossen, ihre Ferien der Filmarbeit zu widmen. Fast befreit sie die Zusammenarbeit mit dem bunten Filmvölkchen aus aller Traurigkeit. Ein Chilene verirrt sich in das Dorf, schön wie ein junger Gott. Anja hebt ab, leicht und schillernd wie eine azurblaue Libelle. Doch dann hält auch die neue Liebe nicht. Dabei wäre es so schön gewesen, wenn aus der verzauberten Atmosphäre des sterbenden Dorfes neues Glück entstanden wäre. So bleibt nichts als ein „auf zu neuen Ufern“. Immerhin hoffnungsvoll. Peter Huth

Jutta Schlott: „Kalter Mai“. Fischer Taschenbuch, ab 13 Jahre, 12,90 DM

Jutta Schlott: „Roman und Juliane“. Alibaba-Verlag, ab 12 Jahre, 8 DM.