: Neuer Schwung mit „Rolltona“
■ Geheimpapier: Laufbänder durch die Große Bergstraße / Oberbaudirektor mit Büll & Liedtke, SPD und GAL einig Von Heike Haarhoff und Sven-Michael Veit
Durch die unwirtliche Fußgängerzone der Neuen Großen Bergstraße in Altona sollen künftig Laufbänder führen, wie es sie auf großen Flughäfen bereits gibt. Schon Ostern 1997 könnte das Projekt mit dem Arbeitstitel Rolltona verwirklicht sein. Das geht aus einem Geheimpapier aus der Stadtentwicklungsbehörde (Steg) hervor, das der taz vorliegt. Ziel des auf 20 Millionen Mark bezifferten Vorhabens, das wegen der maroden Stadtfinanzen privat finanziert und betrieben werden muß, soll es sein, „die Attraktivität der Einkaufszone nachhaltig zu steigern“.
Die Idee dazu hatte Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak. Bei einem städtebaulichen Fortbildungsseminar in der US-Olympiastadt Atlanta stieß er Ende vorigen Jahres auf das Vorbild: Elektrische Förderbänder, die mit einer Geschwindigkeit von drei Meilen (knapp 5 km/h) Tausende von Passagieren gleichmäßig durch die Einkaufszonen der Südstaaten-Metropole befördern. Der besondere Vorteil, so vermerkt Kossak unter dem Geschäftszeichen „B / BA4 / 0815 / 96“: Beim „Entlanggleiten an den Schaufenstern“ gebe es praktisch kein Anrempeln mehr, die Kauflustigen könnten sich ganz „dem Erlebnis Konsum“ widmen.
Seinem Papier hat Kossak ein handschriftliches „Gedächtnisprotokoll“ über ein „erfolgversprechendes Sondierungsgespräch“ mit drei Herren am 8. März angefügt: Die Koalitionspartner Horst Emmel und Olaf Wuttke, Fraktionschefs von SPD und GAL in der Bezirksversammlung Altona, sowie Albert Büll von der Investorengruppe Büll &Liedtke. Die betreibt bereits den mercado über dem ehemaligen jüdischen Friedhof an der Ottenser Hauptstraße und darf demnächst ein monumentales Bürogebäude an den Holzhafen klotzen (taz berichtete).
Während Emmel und Büll sich für die Rolltona-Idee durchaus erwärmten, zierte sich GALier Wuttke zunächst. Er habe „Zweifel“, ob seine Partei „da mitziehe“. Besonders Teile des Altonaer Kreisvorstandes seien, so zitiert Kossak den grünen Fraktionschef, „zur Zeit nicht so gut auf Büll & Liedtke zu sprechen und auf mich schon gar nicht“. Wegen der Zustimmung zur Holzhafen-Bebauung hatte der Vorstand heftige Kritik an der Fraktion und speziell an Wuttke geübt.
Erst als Emmel signalisierte, er könne sich für die vakante Nachfolge des zum Staatsrat in der Justizbehörde avancierten Bezirksamtsleiters Hans-Peter Strenge auch „eine ganz neuartige Lösung“ vorstellen, habe Wuttke „Kooperationsfähigkeit“ angedeutet, sofern bei dem Rolltona-Projekt „ökologische Aspekte“ betont würden.
In Kossaks Papier heißt es weiter, die Herren seien sich darüber einig gewesen, daß die Laufbänder mindestens „von der Unterführung Bhf. Altona bis zum Goetheplatz / Karstadt“ führen müßten. Als Bonbon für die GAL solle die Möglichkeit „der Stromerzeugung durch Solarzellen“ geprüft werden. Zudem müsse „die Anbringung von Werbeträgern an den Außenseiten der Laufbänder“ gewährleistet sein, damit Investor Büll &Liedtke Einnahmen habe. Denn die „Entrichtung eines Beförderungsentgelts“ durch die Passagiere gilt den vier Herren „als nicht realisierbare Maßnahme“.
Kossak, der in seiner Berliner Studentenzeit das Honky-Tonk-Piano in einer Jazz-Combo bediente, gerät zum Schluß seines Vermerks geradezu ins Schwärmen: Wenn in drei Jahren Mick Jagger & Co. die neue Mehrzweckhalle im Volkspark einweihten und Hunderte von Rolling Stones-Plakaten Rolltona schmückten – das würde „der Metropolfunktion“ Hamburgs „die Krone“ aufsetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen