Sanssouci: Vorschlag
■ Grunge, TripPop und Schnickschnack: Garbage im Metropol
Es kommt ja nicht oft vor, daß als Zugpferd und Lichtgestalt einer Band ausgerechnet der Schlagwerker herhalten muß. Bei der amerikanischen Band Garbage ist das der Fall, denn deren Drummer und letztlich auch Initiator und Produzent in Personalunion heißt Butch Vig. So wie die Erinnerung dem Leben selten einen Streich spielt, rollt bei der Nennung dieses Namens die ganze Creme des alternativen Rock der letzten Jahre über die Tasten, tauchen aber bruchstückhaft auch Scherben der jüngeren Vergangenheit auf, dürfen neben reinen Erfolgsstatistiken auch tragische Momente angeführt werden: Als kantenschleifender und hooklinebesessener Überproduzent machte Butch Vig aus Grunge Popmusik für den samstäglichen Einkaufsbummel. Er war mitschuldig am Ruhm des Rock-'n'-Roll-Toten Kurt Cobain, er machte Sonic Youth zu Rock-Dinosauriern, die sie niemals sein wollten, und schaffte, daß selbst Schlauköpfe wie Urge Overkill sich in ihrem Tongue-in-cheek-Rock verhedderten.
Garbage nun gründete Vig zusammen mit seinem Produzentenkumpel Steve Marker. Ihre andere Attraktion, die schottische Sängerin Shirley Manson, entdeckten sie, wie soll es anders sein, per MTV-Chip, und daß Grunge-Musik nicht die alleinige Mutter aller Freuden werden sollte, stand ganz oben auf dem Programm: Mit allem zur Verfügung stehenden Schnickschnack, mit Loops, Samples, Synthesizern und natürlich Gitarren, mit tausend strangen Effekten und Spinnersounds aus des Produzenten Trickkiste stemmten Garbage letztes Jahr ein Album hin, das wie locker geschlagenes Pop-Allerlei klang und massiv in Brit-Pop- und Neo-Punk-Phalangen einbrach.
Nicht zuletzt erreicht wurde das durch Shirley Wilsons dunkel schimmernde Vocals, die der semiexperimentellen und reißbrettartigen Seite von Garbage Leben und Seele einhauchten, mit hübsch nachvollziehbaren Zeilen wie „I'm only happy when it rains“ oder „Things don't have to be this way, catch me on a better day“. Ganz zeitgeistig und schlau darf man Garbage als die TripPop-Variante des alternativen Rocks hören und sehen, als die gitarrenlastige Quersumme aus allen möglichen Rubys und Trickys, in die Welt gesetzt von jemand, der lustvoll mal ausbaden möchte, was er anderen so eingebrockt hat. Gerrit Bartels
Garbage und the Rentals, 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz
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