: Ausbau des Zarm stockt
■ Der Fallturm pflegt jetzt Freundschaft mit Japan, aber für das eigene Schwerelosigkeit-Projekt fehlt das Geld
„Partnerschaftliche Zusammenarbeit“ haben sie vereinbart, das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie, besser bekannt unter dem Kürzel „Zarm“ oder kurz: der Fallturm, und das japanische Zentrum für unterirdische Schwerelosigkeits-Experimente (Jamic) in Hokkaido. Während die Bremer ihre Experiment-Kapseln aus 110 Meter Höhe im Turm herunterfallen lassen, um für 4,6 Sekunden Schwerelosigkeit zu haben, ist der japanische „Fallturm“ in die Erde in eine alte Kohlemine gebaut. 490 Meter tief geht da das Fallrohr und erlaubt 10 Sekunden Schwerelosigkeit. „Die Qualität unserer Schwerelosigkeit ist besser“, lobt der Chef des Fallturms, Prof. Hans Rath, seine kleinere Institution.
Die bisher alle zwei Jahre in Bremen organisierten wissenschaftlichen Tagungen werden jetzt gemeinsam veranstaltet, 1998 sind die Forscher nach Japan zu Jamic eingeladen. Die Förmlichkeit des Abkommens sei für die Japaner sehr wichtig, sagt Prof. Rath, auf die Frage nach der Substanz der Vereinbarung. Konkret vereinbart wurde eigentlich nichts, aber unter dem Schirm des Abkommens können die Wissenschaftler ungezwungen zusammenarbeiten.
Die Vorstellung des Abkommens in diesen Tagen fällt zusammen mit einer schlechten Fallturm-Nachricht: Die Deutsche Raumfahrt-Agentur Dasa hat das Projekt des Zarm, mit einer Katapult-Anlage die Zeit der Schwerelosigkeit zu verdoppeln, abgelehnt. 10 Millionen sollte die Anlage kosten, 25 Prozent hätte Bremen mitfinanziert. Aber weil die bundesdeutsche Raumfahrtpolitik sich für das internationale, bemannte Raum-stations-Projekt Columbus entschieden hat, ist für „nationale“ Programme das Geld besonders knapp geworden. Mehr noch: „Wir müssen aufpassen, daß die nationalen Forschungsmittel nicht als Steinbruch für Fehlbedarfe bei der Esa benutzt werden“, sagt Hans-Josef Ditthus, Projektleiter des Zarm. Denn bei dem prestigeträchtigen Columbus steht die Bundesrepublik mit Milliarden im Wort. Wenn für kleinere Projekte wie den Bremer Fallturm das – vergleichsweise – Kleingeld dann fehlt, bekommt das kaum jemand mit.
1,1 Milliarden gibt die Dasa jährlich für internationale Projekte aus, neben Columbus wird es erstmals eine deutsche Beteiligung an einem französischen Spionage-Satelliten geben. Auf 300 Millionen ist daneben der gesamte Etat für die anderen Projekte festgefroren, um den sich auch das Zarm streiten muß. „Das macht uns Sorgen“, sagt Fallturm-Projektleiter Ditthus. Bisher hatten die Fallturm-Forscher gehofft, sozusagen im Windschatten der großen Prestige-Projekte mitsegeln zu können: „Wenn Columbus kommt, geht es uns allen besser“, sei die Erwartung gewesen, gesteht Ditthus.
Während bisher nur vage Vorstellungen existieren, welche wissenschaftlichen Forschungen denn im Columbus-Labor betrieben werden sollen, ist der Fallturm voll ausgebucht. Ein Forschungsbeispiel: größere Tanks für Satelliten. Die Satelliten-Technik ist inzwischen ein richtiges Geschäft geworden. Die Lebensdauer eines Satelliten aber hängt von dem Tank ab, den er mit sich führt, damit die Position in der Umlaufbahn immer wieder nachgeregelt werden kann. Drei, vier Jahre, dann kann so ein Tank leer sein. Das Problem bei größeren Tanks – etwa von einem Meter Ausdehnung – ist, daß der Treibstoff Hydrazin blasenfrei immer am Abfluß sein muß, auch wenn es Erschütterungen gibt und egal wie der Tank im schwerelosen Raum liegt. Um die Voraussetzungen für einen größeren Tank zu schaffen, werden Kapillarkräfte ausgenutzt, die Dasa hat 75 Fallturm-“Flüge“ zur Erforschung dieser kapillaren Kräfte in Tanks durchgeführt – am Fallturm.
Es gibt inzwischen diverse Möglichkeiten für Schwerelosigkeitsforschung auf der Erde. Das teure Weltraumlabor hat aber einen Vorteil: es ist prestigeträchtiger. K.W.
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