■ Querspalte: Lob des Lobes
Psychologie Kapitel eins, erstes Semester Volkshochschule: Schlagen Sie Ihr Kind nicht, wenn es Rote-Beete-Saft auf den Teppichboden schüttet. Loben Sie es! Sagen Sie: Hattu gut gemacht, muttu aber nie wieder tun! Und schon strahlen zwei helle, dankbare Kinderaugen, die eben noch gefürchtet haben, schwer für den Teppichfrevel bestraft zu werden. Lob statt Strafe – ein probates Hausmittel aus dem Medizinschrank der Trivialpsychologie und doch viel zu selten angewendet. Wir Deutschen loben zuwenig, haben jetzt amerikanische Gesellschaftswissenschaftler herausbekommen, und sind daher oft mißmutig, schlecht gelaunt und bringen nicht die volle Leistung.
Ich finde, an dieser Stelle sollte man auch in dieser Zeitung einmal sagen dürfen, daß der Bundeskanzler die Sache mit der Wiedervereinigung doch prima gemacht hat. Also toll, wie der das hingekriegt hat! So schnell, so reibungslos, so einfach. Bis in den Himmel wollen wir ihn deshalb heute loben: Hattu gut gemacht, Helmut, und jetzt schau gefälligst nicht mehr so griesgrämig! Soweit zu uns Deutschen.
Würde vorschlagen, mal einen miesepetrigen deutschen Soziologen über den Großen Teich zu schicken, dorthin, wo die Menschen schon grinsend auf die Welt kommen und sich von da an immerfort gegenseitig grundlos auf die Schulter klopfen („nice to meet you“). Sollte man dringend mal untersuchen, was das Dauerloben von früh bis spät in den USA für gesellschaftliche Auswirkungen hat. Möglicherweise führt das zu „weicher Birne“, weshalb in Deutschland seit Nietzsche nur noch „gelobt sei, was hart macht“ („Zarathustra“, dritter Teil).
Müssen wir uns eigentlich von diesen amerikanischen Psycho-, Sozio- und Scientologen alles gefallen lassen? Darf man uns Deutsche immerzu so beleidigen? Ist es nicht vielmehr so, daß wir Deutschen endlich auch einmal gelobt werden wollen? Auch wenn wir wieder Rote-Beete-Saft über den Teppich der Weltgeschichte schütten. Philipp Maußhardt
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