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Phantomschmerzen

■ "Angst hat eine kalte Hand" gibt sich als Krimi aus und hat doch weder Spannung noch Psycho zu bieten. Dafür aber die brillante Cornelia Froboess (20.15 Uhr, ARD)

Nennen wir die Macke, von der die Rede sein wird, der Einfachheit halber den „Kommissar-Keller- Phantomschmerz“. Er stellt sich immer dann ein, wenn wieder mal ein Film als Krimi ausgegeben wird, der allerdings viel mehr sein will, als eine „schrille Oberfläche von genregerechten Aktionen und Akteuren“ abzugeben. Besser, so meinen die Macher, seien Produkte, bei denen es „ums genaue Hinsehen“ geht, um Fragen wie diese: „Was machen Menschen mit brutaler Gewalt? Was macht die Gewalt mit den Menschen?“

Die hier wiedergegebenen Zitate stammen allesamt von Drehbuchautor Rainer Berg, der sein Handwerk für den Film „Angst hat eine kalte Hand“ versah. Die WDR-Produktion hat bereits im Vorfeld viel Lob geerntet, Spiegel, Woche und die TV-Beilage des Stern hoben ihn aus dem Angebot der Woche heraus. Der Titel spielt auf eine alte Hundelehrerweisheit an: Köter riechen es, wenn man Angst vor ihnen hat, sie erkennen die Furcht an den kalten Hände. Das klingt pantasieanregend – zumal der Geschichte eine wahre Begebenheit zugrunde liegt. Hier wird sie allerdings so schlicht erzählt, wie es einem Krimi nur geziemt, wenn wenigstens die Spannung bis zum Schluß durchgehalten wird – wenn also die Frage nach dem „Who dunnit“ bis zum Ende unbeantwortet bleibt.

Es geht um die Krankenschwester Hedi Zoll (Cornelia Froboess), die von einem Unbekannten entführt und anschließend mehrere Tage von ihm in einem Verlies gefangengehalten wird. Dann wird sie vom Peiniger selbst entlassen – der Zuschauer ahnt, daß er bei ihr eine Ausnahme macht. Denn sie hatte bei ihm keine kalten Hände. Zurück in Freiheit, schenkt man ihr und ihrer Geschichte keinen Glauben. Auch die Kommissarin Kim Osswaldt hält das Opfer anfangs für eine Hysterikerin. Doch schon bald tritt ein Kollege der Kommissarin auf den Plan, ein Hundeführer: Und wir wissen, daß er der Täter sein muß. Er, der in Kollegenkreisen allseits beliebte Hundestaffelführer, ist es, der Frauen quält, sie foltert und zerstückelt. Logisch, denn er wurde von seiner Frau verlassen, das spießige Einfamilienhaus mit Buchsbaumhecke hinter dem Zaun nur Fassade gemeinster Aggression.

Nichts wurde vom WDR unterlassen, um den Film großartig wirken zu lassen. Matti Geschonneck als Regisseur, Rainer Berg als Drehbuchautor – und dann die Schauspielbesetzung! Das wird wohl so leicht im deutschen Fernsehen niemand nachmachen, was „Angst hat eine kalte Hand“ so in sich versammelt: Cornelia Froboess, Udo Samel und Katja Riemann, Peter Sattmann gar nur in einer Nebenrolle – geizig waren die Auftraggeber wohl nicht.

Schade nur, daß keine Spannung aufkommen will. Leicht wird es einem gemacht, die schönen Bilder zu bewundern, die Farben, aber auch die stete Blaugrundierung, wenn nächtliche Szenen zu sehen sind. Die Handlung lenkt nicht ab, weil die Story sowieso klar ist. Udo Samel ist der Täter, das wird schon deutlich, wenn er grimmig, schmierig guckt, vor allem aber wenn er sagt: „Was ist ein Hund? Ein besserer Mensch.“

Eineinhalb Stunden werden in diesem Stile sämtliche linksliberalen Weltanschauungen vortrefflich bedient: Frauenschänder erkennt man daran, daß sie die innigste Beziehung mit ihrem Hund pflegen; Frauen reiben sich an der Männerwelt auf und verstehen (schon deshalb?) die Welt nicht mehr; Vorgesetzte sind qua Position ignorant, und im übrigen ist die Polizei ein Korps, in dem der entsprechende Geist zwischen den Uniformmützen wabert. Das kreuzlangweilig zu nennen, wäre untertrieben, denn der Film ärgert, weil er so hochwohllöblich tut und dabei doch nur Konfektionsware parat hält. Nichts überrascht, und, schlimmer noch, nichts wirkt menschlich: So kam Kunsthandwerk statt Krimikunst heraus.

Bereits nach einer Viertelstunde werden wehmütige Erinnerungen wach: Was waren das noch für Krimis, als am Anfang eine Leiche gefunden wurde und die Kommissare auf den Plan traten, um dann in einer Stunde alles zu ermitteln – die sozialen Hintergründe, die Tat und den Täter oder die Täterin. Kommissar Keller beispielsweise, verkörpert als biederer Handwerker von Erik Ode.

Trotzdem lohnt sich das Stück allein schon wegen Cornelia Froboess. Was sie aus ihrer Rolle macht, ist beeindruckend. Selbst in aufgeregten, erschrockenen Momenten bleibt eine Spur Distanz in ihrem Timbre: Das wirkt irritierend, manchmal beängstigend, läßt Rätsel und keine Phantomschmerzen zurück. Man hätte sie den ganzen Film sprechen lassen sollen. Einfach nur die Kamera auf ihr Gesicht halten – und es wäre ein nervenzerrendes, spannendes Porträt einer einsamen Frau geworden, die sich nicht einschüchtern läßt. Jan Feddersen

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