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"Scorpions" kommen nach Bremerhaven

■ Magistrat und Krams streiten sich um Bürgschaft und riskieren Image der Stadt

Stadthallengeschäftsführer Hans-Jürgen Krams hat große Pläne: 30.000 Rockfans will er am 24. August mit einem Open-air Konzert der „Scorpions“ (Wind of Change) nach Bremerhaven locken. Zwischen Strandhalle und Schiffahrtsmuseum soll ein 110 Meter langer Ponton auf dem Wasser als Bühne installiert werden. Die Fans können für 50 Mark Eintritt auf dem Weserdeich, der „natürlichen Zuschauertribüne“, mitrocken.

Ein enormer Imagegewinn für die triste Seestadt, hoffen die Veranstalter. „Das wird das größte Rockspektakel, das die Küste je gesehen hat“, jubelt Krams. Vor ein paar Tagen hat er mit den „Scorpions“ in Düsseldorf auf den Deal angestoßen. „Die Jungs freuen sich schon riesig auf Bremerhaven“, erzählt Krams. 242.400 Mark Gewinn hat er kalkuliert. Für den Fall, daß die Gagen aufgrund eventueller Verluste nicht gezahlt werden können, wollen sich die „Scorpions“ ihren Auftritt allerdings mit einer Ausfallbürgschaft von 500.000 Mark absichern. Und genau mit dieser Bürgschaft beginnt eine Komödie, die den Titel „Bremerhaven wie es singt und lacht“ tragen könnte. Von den geforderten 500.000 Mark kann die Stadthalle Bremerhaven, Veranstaltungs- und Messegesellschaft nur 100.000 Mark auftreiben. Um die restlichen 400.000 Mark für seine Bürgschaft zusammenzukriegen, klopfte Krams beim Magistrat der Stadt an. Die Stadtväter winkten ab. „Wir haben noch keinen beschlossenen Haushalt, aus dem wir das genehmigen könnten“, meldet Bürgermeister und Stadtkämmerer Burkhard Niederquell rechtliche Bedenken an. „Wenn das Konzert tatsächlich ein Bombengeschäft wäre, bräuchte man keine Bürgschaft“, schlägt Oberbürgermeister Manfred Richter (FDP) in die gleiche Kerbe. Das sich Krams überhaupt noch traut, nach einer Bürgschaft zu fragen, grenzt für ihn an eine „Realitätsferne, die schon erstaunlich ist“. Er erinnert sich außerdem gut an andere Krams-Veranstaltungen, die mit großzügigen Bürgschaften abgesichert waren.

Als vor drei Jahren Justus Frantz mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra in der Seebäderkaje spielte, regnete es in Strömen. Das als „Konzertereignis des Jahres“ angekündigte Spektakel fiel buchstäblich ins Wasser. Statt 6.000 kamen gerade einmal 4.000 Zuschauer. Weniger ein Problem für die Veranstalter: Bremen und Bremerhaven hatten zuvor mit 200.000 Mark für etwaige Verluste gebürgt. Richter: „Wir werden nicht nur älter, sondern auch klüger.“ Richter zweifelt überhaupt daran, daß Krams „der richtige Mann am richtigen Platz ist“. „Ich werde dem Magistrat jedenfalls die Verlängerung des Vertrages von Krams nicht vorschlagen, den Rest des Problems sitze ich aus.“ Krams, dessen Vertrag als Stadthallengeschäftsführer am 30. Juni ausläuft, schlägt zurück: „Über meinen Vertrag entscheidet allein der Aufsichtsrat. Da werden politische Nullnummern gar nicht gefragt.“ „Ich krieg das mit der Bürgschaft auch so hin“, sagte Krams danach gegenüber dem Bremerhavener AfB-Chef Helmut Kuhlmann.

Zwischenzeitlich hat Krams wegen der Bürgschaft tatsächlich einen Antrag an die Wirtschaftsförderungsausschüsse des Landes gestellt. Am 25. April entscheiden die Ausschußmitglieder. Der Beauftragte für den Haushalt des CDU geführten Wirtschaftsressorts hat jetzt schon genickt. Und auch in Bremerhaven kann Krams auf die CDU zählen. Krams, der die Bremerhavener CDU schon in der Stadthalle schon beköstigt hat, strebt will bekanntlich, daß die Stadthalle an private Betreiber verpachtet wird. In dieser Betreibergesellschaft will Krams als Gesellschafter und Geschäftsführer wirken. Dagegen wehrt sich allerdings die SPD, die Krams lieber heute als morgen in den Ruhestand schicken will. Anders die CDU, die hinter dem ehemaligen Stadtrat für Jugend, Familie und Sport steht. Das sorgt für Spannung in der rot-schwarzen Kooperation. Die Privatisierung der Stadthalle und die Rolle von Krams haben die Koalitionäre deshalb vertagt und auf die Tagesordnung des Koaltionsausschusses gesetzt. Wenn sie sich nicht äußern, läuft Krams Vertrag sang- und klanglos am 30. Juni aus. „Genau da liegt der Hase im Pfeffer“, sagt ein Bremerhavener Sozialdemokrat. „In Wirklichkeit geht es nur am Rande um den Streit über die Bürgschaft. Krams will mit dem Scorpions-Konzern noch einmal zeigen, was für ein toller Hecht er ist – und zwar ausgerechnet jetzt, wo es um die Verlängerung seines Vertrages als Stadthallengeschäftsführer geht.“ kes

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