■ Press-Schlag: Weise Zeitwaisen
Wie vertreibt sich eigentlich ein beschäftigungsloser Fußballehrer seine Zeit? Nichts zu lehren, nichts Rundes zum Dagegentreten, keine Spieler zum Anbrüllen, keine Kameras zum Klug-Hineinstatementen. Leere. Fußball- Leere. Vielleicht muß man sich das so vorstellen: In trauter Runde sitzen die einsam Zurückgebliebenen am Stammtisch der Gastlichkeit „Zum Reigen“ und harren der Dinge.
Zuletzt waren es: der Neururer Peter mit Dauerehrenkarte aller verfügbaren Bundesligastadien; Feldkamps Kalli, Freund vieler oberlehrerhafter Worte; Krautzuns Eckhard, mit erdumspannenden Wirtschaftskenntnissen; und Stepanovics Dragoslav, als gelernter Kneipier ohnehin branchenkundig.
„Hassu schon gehört...“, flüstert der eine, „...Klautern! Wer macht's? ... Ich nicht... Du, Kumpel? ... Nee, dann lieber Krankfurt ... Aber die wollte der Dings doch... Ach so, nehm ich lieber den FCK... Welchen denn? ... Ist doch egal, hahaha... Kölle mit dem Stinkebock? ... Nein, aber Wattenscheid ist noch frei... Watt? 2. Liga, ja, wenn die schicke Britta noch da wäre! ... Alter Chauvi! ... Aber recht hatter... hoho, noch ne Runde.“
Spät in der Nacht haben sie die Klubs untereinander ausgeknobelt, zuletzt mußte gar das Los entscheiden (wegen Köln). „Was erzähle mer dene alle denn? ... Ach, immer den gleichen Mist, hicks, ist doch klar..., den üblichen Unfug... In spätestens einem Jahr sitze wir doch eh alle wieder hier... Genau, dann teilen wir mal Bayern und Dortmund auf... Superidee, Herrwirt, noch ne Runde...“
Und so sitzen jetzt neue Figuren abfindungsbeladen in der Bundesliga-Warteschleife: der sensible Engels, der tränengerührte Rausch, der tiefenttäuschte Koitka, der treue „treue Charly“. Dazu Köppel und Held, Daum, Saftig, Möhlmann, Coordes, Stielike, Schafstall. Wir wissen nicht, wie es diesen weisen Zeitwaisen des Vorturnerwesens ergehen wird. Aber wiederkommen werden sie bestimmt, als große Retter, irgendwohinirgendwieirgendwann. Bernd Müllender
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