: Karnevalisten gegen Abschiebung
■ Hessische Bürger mobilisieren gegen die Rückführung einer kroatischen Familie. Ein erster Aufschub ist erreicht
Zwingenberg (taz) – Die Nachricht kam am Gründonnerstag: Die Familie Ivcić muß in den nächsten drei Monaten nicht nach Kroatien ausreisen. Hätte die Ausländerbehörde die Duldung nicht verlängert, hätten die Ivcićs am 15. April ihre Koffer packen müssen.
Mehrere Wochen kämpfte eine Stadt unter der Federführung des Karnevalsvereins und der Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuzes dafür, daß die Familie in Zwingenberg (Südhessen) bleiben kann. „Jetzt haben wir wieder etwas Zeit gewonnen“, so Werner Völker, der als stellvertretender Vorsitzender des Karnevalsvereins die Unterstützungsaktionen koordiniert. 2.500 Menschen haben sich bereits bei einer Unterschriftenaktion beteiligt. Trotz der Aufschiebung will er weiter Unterschriften sammeln, die Aktion sogar ausdehnen.
Ausschlaggebend für die Verlängerung der sogenannten Duldung durch die Ausländerbehörde des Landkreises Bergstraße waren jedoch nicht die örtlichen Proteste, sondern eine Klage. Familie Ivcić reichte sie selbst beim Verwaltungsgericht Darmstadt gegen die Anordnung der Rückführung ein.
Man wolle abwarten, heißt es jetzt bei der Behörde, wie der Rechtsstreit ausgeht. Sie beweist damit fast Klasse, denn eine Klage vor dem Verwaltungsgericht hat keine aufschiebende Wirkung auf die Rückführung. Je nachdem wie voll der Terminkalender des Gerichts ist, hätte es zu der dann absurden Situation kommen können, daß die Ivcićs schon wieder in Kroatien wären, während man in Deutschland noch über ihre Klage verhandelte. Jetzt hat das Gericht Zeit zu prüfen, ob es humanitär vertretbar ist, die Familie zurück nach Kroatien zu schicken: Alle Verwandten der Ivcićs wohnen in Deutschland, ihr Dorf in der Nähe von Osijek ist zerstört. Auch fürchtet Vater Darije Ivcić Repressalien durch die Kroaten. Er flüchtete 1991 mit seiner Familie, kurz bevor er zum Militär eingezogen werden sollte.
Hessens Innenminister Gerhard Bökel hat unterdessen bekräftigt, daß alle Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren müssen. „Die Menschen werden in ihrem Land gebraucht“, so der Minister. Ziel sei es, die Bürgerkriegsflüchtlinge zur freiwilligen Ausreise zu bewegen, notfalls werde diese aber auch zwangsweise vollstreckt. In diesem Fall allerdings verlieren die Kroaten dann auch das Recht, später aus Besuchsgründen wieder nach Deutschland zu reisen. Ralf Ansorge
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