■ Belgrads Makedonien-Anerkennung ist gut für den Balkan: Zeit für Realpolitik
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen „Rest“-Jugoslawien (Serbien-Montenegro) und Makedonien ist mehr als ein bilaterales Ereignis. Bei den Verhandlungen saß immer ein unsichtbarer Dritter dabei, der auf seine Interessen aufmerksam machen wollte, auf dem Tisch durch lockende Angebote, darunter durch dezente Schienbeintritte – Griechenland. Nach dem Abkommen vom Wochenende findet es sich jedoch als Verlierer wieder. Denn Belgrad hat den kleinen Nachbarn unter dem Namen Makedonien – wenn auch geringfügig zu „Neumazodien“ modifiziert – anerkannt, wogegen Athen vehement opponierte.
Doch die Sache mit Siegern und Verlierern ist komplizierter. Daß Milošević jetzt seine guten Beziehungen zu Athen strapazierte, zeigt nur, wie verzweifelt die serbisch-montenegrische Wirtschaft inzwischen auf Wiederbelebungskredite angewiesen ist. Die hat allerdings nicht Athen, sondern nur die EU zu bieten, die dafür die Anerkennung des südlichen Nachbarn forderte. Damit haben die Serben die Theorie vom „südserbischen“ Makedonien abgeschrieben.
Eindeutiger Sieger ist auf den ersten Blick Makedoniens Präsident Kiro Gligorov. Sein Staat ist jetzt nicht nur von allen Nachbarn anerkannt, er kann auch wieder an die alten Wirtschaftsbeziehungen anknüpfen und seine Agrarprodukte legal in Serbien absetzen. Doch Skopje mußte dafür einen Preis bezahlen, dessen Höhe sich erst noch zeigen wird. Mit der Anerkennung als Rechtsnachfolger des alten Jugoslawien in der Tasche kann man in Belgrad auch die alten Rechte auf den Freihafen von Thessaloniki reklamieren. Und die Makedonier sind auf den Status des Untermieters verwiesen, der die Rechte an seinem wichtigsten Handelshafen dann nicht nur mit Athen, sondern auch mit Belgrad aushandeln muß.
Die griechische Regierung hat das Abkommen vom Wochenende als „unfreundlichen Akt“ bewertet. Daß sich dieser Vorwurf nicht an Skopje, sondern an Belgrad richtet, läßt erkennen, welche heilsame Ernüchterung die serbische Realpolitik auch für den südlichen Balkan bedeutet. Denn die griechischen Einpeitscher der Mazedonien-Hysterie waren zugleich diejenigen, die von einer „orthodoxen Achse“ Athen-Belgrad-Moskau träumten. Mit dem Ende dieser Illusion können sich die Chancen auf gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen griechischen und anderen Mazedoniern nur verbessern. Auch für Athen ist jetzt Realpolitik angesagt. Niels Kadritzke
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