Bayern legt Bonn atomares Ei ins Nest

■ Erster neuer Atomreaktor in Deutschland genehmigt. Ersatz des Garchinger „Atomeis“ läuft mit waffenfähigem Uran

Berlin/München (taz/AP) – Der Bau für den Forschungsreaktor Garching Nummer zwei (FRMII) kann beginnen. Gestern erteilte das bayerische Umweltministerium die erste Teilgenehmigung nach dem Atomrecht. Der Mini-Atommeiler soll im Jahr 2001 in Betrieb gehen und das bisherige „Atomei“ ersetzen, das mit seinen 39 Jahren Betriebsdauer noch zur ersten Generation der Forschungsreaktoren zählt. In Deutschland wurde letztmals 1988 ein Atomreaktor in Betrieb genommen.

Laut dem Ministerium kann die Technische Universität München zunächst das Reaktorgebäude errichten – für Kultusminister Hans Zehetmair ein „Meilenstein für die Zukunft Bayerns“. Die bereits für Herbst 1995 angekündigte Teilgenehmigung hatte sich verzögert, weil der TÜV zahlreiche Lücken im Sicherheitsbericht bemängelt hatte. Die maschinen- und elektrotechnischen Anlagen müssen die Behörden erst noch absegnen. Doch da dürften sich die Beamten kaum noch querstellen: Mit der Teilgenehmigung sei eine „vorläufige positive Gesamtbewertung des Projekts verbunden“, hieß es.

Gar nicht positiv bewerteten die Bündnisgrünen im Bayerischen Landtag den FRM II. Immerhin sind die Brennelemente neu konstruiert und damit weltweit ungetestet. Wie der Reaktorkern auf Wärmespannungen und Störfälle reagiert, ist offen. „Nicht einmal ein sogenannter Reaktivitätsstörfall, bei dem ein Brennelement zerstört und große Mengen radioaktiver Stoffe explosionsartig frei werden, kann sicher ausgeschlossen werden“, so Irene Sturm, energiepolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion. „Es ist ein Witz, wenn das Ministerium mitteilt, der Einsatz der Brennelemente sei nicht beantragt und daher auch nicht Gegenstand der Teilgenehmigung“, sagte Sturm. Schließlich ist der Reaktorkern das Herz der Anlage und damit sinnvollerweise auch das der Genehmigung.

Ob sich die Physiker der TU München und das Ministerium davon beeindrucken lassen, glaubt nach den bisherigen Streitigkeiten kaum noch jemand. Die technischen Unwägbarkeiten, die nur zehn Kilometer vom Großflughafen im Erdinger Moos entfernte Lage – all das tritt für die Forscher zurück hinter der Aussicht, mit dem FRMII die stärkste Neutronenquelle der Welt zu steuern. Damit können sie genauer auf Werkstoffe und in Atome und Moleküle blicken als andere. Das ist für sie die Sicherung des Standortes Deutschland auch in den Laboratorien.

720 Millionen Mark soll der 20-Megawatt-Reaktor nach Rechnungen der Erbauer kosten. Es ist seit 15 Jahren der weltweit erste Reaktorneubau, der mit hochangereichertem und damit atomwaffentauglichem Uran betrieben werden soll. Das technische Konzept mit hochangereichertem Uran, auch HEU oder Highly Enriched Uranium genannt, rief den Protest der USA hervor. Die wollen eigentlich den Handel mit atomwaffentauglichem Material immer weiter eindämmen. Doch die Garchinger Physiker und der Kraftwerksbauer Siemens hielten an ihrem Konzept fest. Eine Neutronenquelle mit Bombenuran in niedrigerer Konzentration wäre größer und damit teurer. Außerdem hätte der Bau wesentlich länger gedauert – schließlich hätte dank der Sturheit der deutschen Erbauer die Planung noch einmal von vorn beginnnen müssen. Reiner Metzger