: Frauen als „zoon politikon“
■ betr.: „Mit Strapsen in die Zei tung“ (Über eine Veranstaltung der FrauenfrAKTION), „Von Frauen favorisiert“, taz vom 27.3. 96
Eure Zeitungsausgabe vom 27.3. hat mich sehr verärgert. Grund: die ausnehmende Blindheit in der Berichterstattung gegenüber Frauen als „zoon politikon“.
Auf Seite 5 (Inland) erfuhr ich in der Allensbach-Dialektik, daß man Frauen statistisch-objektiv als Teilzeitmuttis abhaken kann. Auf Seite 24 (Berlin) gehen die Damen „Mit Strapsen in die Zeitung“. Und ansonsten nehme ich zur Kenntnis, daß der „geschlechtsspezifische Blick“ auf einer Veranstaltung pejorativ geoutet wurde, abgewirtschaftet hat, und keiner will wissen, was „Geschlechtsspezifik“ in einer Zeitung überhaupt noch (sein) soll.
In solchen Fällen lautet die Empfehlung: Fortbildung buchen in Gesellschaftsanalyse, Gegenwarts- und Gemeinschaftskunde, denn wer braucht eine Kopie vom Tagesspiegel?
Die Streichung der „Frauenseite“ vor einigen Jahren habe ich kommentarlos hingenommen. Jetzt sehe ich einen weiteren paradigmatischen Wechsel. Eine Art offenen En-vogue-Diffamierung beizupflichten gegenüber Aktivitäten in dieser Stadt von noch nicht politisch total paralysierten Frauen, finde ich unangebracht. Ich kenne die Veranstaltung nicht und war nicht dort. Über deren Qualität ließe sich vielleicht streiten. Aber „Fünf Oscars für ein Ritterdrama“ als ein Tagesthema aufzumachen, eine ganze Seite „Flimmern und Rauschen“, eine ganze Menge auch Kultur und Sport, ab und zu mal eine politisch interessante oder politisch interessierte Dame in der Berichterstattung – darüber läßt sich konzeptionell sehr wohl streiten.
Daß man sich Journalisten in Printmedien (nach Herrn Luik) offenbar reihenweise als zur Ticker- Abhängigkeit Verdammte vorstellen muß, deren Ticker die journalistischen Relevanzen definieren und konzeptionalisieren, finde ich einen erheiternden Beitrag zur Berufsauffassung als Journalist. Der Abdruck eines Fernsehprogramms ist jedenfalls mit großer Sicherheit nicht der Grund, die taz zu abonnieren. Es gibt eine ganze Reihe interessanter Forschungsprojekte in Berlin, die sicherlich gerne wissenschaftliche, gesellschaftsrelevante und geschlechtsspezifische Analysen auf den Tisch legen könnten.
Ich wünsche mir Eure Zeitung im Profil (in Berlin und nicht in Posemuckel) als ein kritisches Medium, das man auch noch als Frau im Sinne eines gesellschaftlichen Wesens lesen, abonnieren und empfehlen kann. Die Redakteure und Redakteurinnen sollten die Absicht haben, ihre LeserInnen auch im Hinblick auf „Geschlechtsspezifik“ schlauer zu machen und sie in dieser Hinsicht nicht für dusseliger halten, als sie es sind. Susanne Eggers
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