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Neonazis denunzieren jetzt elektronisch

■ Die rechtsextreme Bunker BBS-Mailbox sammelt seit Ostern Daten über Gegner. Buchautor stellte Strafanzeige

Die rechtsextreme Szene in Berlin hat damit begonnen, die Namen und Kurzbiographien politischer Gegner elektronisch zu speichern. Seit Montag dieser Woche existiert auf der Berliner Mailbox „Bunker Bulletin Board System“ (Bunker BBS) eine sogenannte Antifa-Galerie, die offenbar als Einstieg für eine umfangreichere Sammeldatei gedacht ist. Der Journalist Burkhard Schröder, der als einer von zwei Betroffenen genannt wird, erstattete jetzt Anzeige wegen Nötigung und Bedrohung gegen Unbekannt bei dem für politische Delikte zuständigen Oberstaatsanwalt Carlo Weber.

Die Mailbox Bunker BBS wurde im vergangenen Jahr als Ableger des bundesweit arbeitenden neonazistischen „Thule“- Computernetzwerks installiert. Ihr Sitz ist in Friedrichshain, der Betreiber mit dem Decknamen „Baldur“ offenbar ein jüngerer Ostberliner Neonazi. Sich selbst bezeichnete er vor geraumer Zeit in seinem Netz als ehemaligen Pionier der DDR-Kinderorganistaion „Ernst Thälmann“.

Bis zur Einrichtung der Bunker BBS gab es in Berlin nur eine Mailbox der verbotenen Nationalistischen Front, die sich „Sozialrevolution“ nennt. Dieser elektronische Briefkasten arbeitet jedoch als „mailing system“ und ist per Computer und Modem nicht anwählbar.

Die Informationen der Bunker BBS sind jedoch dürftig. So ist dem Betreiber weder Schröders Adresse noch die des zweiten Betroffenen, eines angeblich in Hamburg wohnenden linken Computerfans, bekannt.

Vor dem 43jährigen Schröder, der seit sieben Jahren regelmäßig in Tageszeitungen, unter anderem auch in der taz, über die rechtsextreme Szene schreibt und Autor mehrerer Bücher zum Thema ist (unter anderem über den Aussteiger Ingo Hasselbach), wird gewarnt: Er spiele „Kameraden gegeneinander aus“. Eine bekannte Methode: Bereits Ende 1993 wurde Schröder in dem von deutschen Neonazis zusammengestellten Adressen- und Personenverzeichnis „Der Einblick“ gleich auf den vorderen Seiten samt Foto abgebildet und auf ähnliche Art und Weise diffamiert. Das damalige Papierkonvolut sorgte zwar bundesweit für Schlagzeilen, war aber ebenso dürftig recherchiert wie die bislang zusammengetragenen Informationen in der Bunker BBS.

Indirekt werden über die Berliner Mailbox Gesinnungsfreunde zur Sammlung weiterer Daten aufgefordert. Über beide Betroffenen stochert der rechtsextreme Computerfan im elektronischen Nebel herum. „Leider“ sei von beiden kein Bild vorhanden: „Besorg doch eins“, lautet daher der Aufruf. Die Kenntnisse des Hamburger Computerspezialisten scheinen die Freude der Neonazis an moderner Datenkommunikation mächtig zu trüben. Dieser verbreite nämlich über die Computernetze „linksextreme Texte, die sich gegen Deutsche richten, und versucht nationale bzw. deutschfreundliche Kräfte aus den Netzen zu verdrängen“. Severin Weiland

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