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Steinmuckis

■ Kunststreifzüge: Das Kunsthaus zeigt Künstler, die der NDR vorstellt

Meereswellen grüßen am Eingang, denn Kunst ist immer in Bewegung. Die Welle ist für die Fotografin Dörte Eißfeld so interessant, da jede absolut einzig und doch zugleich Zeichen und Teil von etwas ganz Gewöhnlichem ist. Und sie ist ein nützliches Bild für die erste Kunstausstellung, die der NDR parallel zu einer Fernsehreihe mitveranstaltet. Vierzehn Porträts Hamburger Künstler geben als Kunststreifzüge Einblick in Atelier, Werk und Denkweise. Dabei werden nur Orginal-Töne der Künstler unkommentiert verwendet.

Dieses Konzept geht auf die erste Staffel der Kunststreifzüge von 1993 zurück, deren Autor der Hamburger „Kunstkisten“-Kulturagent Christoph Grau war. Das jetzige Kunstpaket wurde aber von anderen geschnürt: Die Filme realisierte Lucas Maria Böhmer, die Ausstellung Claus Mewes und die Auswahl der Künstler beeinflußte entscheidend Ralf-Rainer Odenwald. Der Maler betitelte das TV-Porträt über sich selbst mit ...eigentlich bin ich ein Gärtner. So ist es folgerichtig, in der Austellung neue Arbeiten Odenwalds zu sehen, in denen Blumenfragmente die untergründig farbleuchtenden Bildtafeln des ehemaligen Goldschmieds dominieren. Roboterbauer Nikolas Anatol Baginsky, der seine elektronischen Maschinen als aktuelle Form der Bildhauerei definiert, verblüfft mit einem Objekt, das weder piepst noch sich bewegt: ein Schulter-Torso Arnold Schwarzeneggers hat sich zentral in weißem Marmor materialisiert: Steinmetzarbeit unter dem Aspekt medialen Hypertextes, traditioneller Stoff im Kontext virtueller Realität.

Daneben hängen locker-flockig tanzende Frauen, ein wandfüllender Fries von Lili Fischer. In schattenhaften Umrissen sind die Spuren einer Performance erfaßt, in der die promovierte Zeremonienmeisterin die Grazien beschwört. Seltsam didaktisch hingegen geht es bei Claus Böhmler zu: Mondrakete und Blasrohr stehen nebeneinander, altgriechische Kuroi sind mit Maschinenteilen und Pommes frites konfrontiert und Käfer krabbeln durch Nazi-Architektur. Wie bei gewöhnlichen Pinnwänden erfüllen die kombinierten Kopien des Kunstprofessors Forderung nach Einfachheit im Material. Doch der Bezug auf die ikonologische Methode des Bilderatlas von Kunstwissenschaftler Aby Warburg ist unübersehbar. So bleiben die Zitate eher lexikalisches Hilfsmittel als eigengewichtige Bildformulierungen.

Höchste Eigenart sind die Kugelschreiber-Zeichnungen von Michael Deistler. Die Herleitung von Schrift- und Symbolzeichen aus einem strikt befolgten Rastersystem enthüllt viel über die Zwangsstruktur von Kultur und verändert genauso den Blick auf tradierte Formen wie der scheinbar klassische Marmor von Baginsky. Hajo Schiff

Kunsthaus, Klosterwall 15, Di-So 11-18, Do bis 21 Uhr, bis 19.2.; Sendungen: N 3, Jeden Sonntag, 8 und 17.45 Uhr

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