Village Voice
: Gemein sein

■ Zu Haus mit Andy & die Anitas

Bei einem lustigen Schlagercontest in der Kreuzberger Kneipe Bierhimmel reüssierten zwei Sängerinnen mit Roy Blacks und Anitas (endlich!) „Schön ist es, auf der Welt zu sein“, weswegen es Dorothea, Anne und Silvie sich nicht nehmen ließen, ihrer Identität noch einen Zweitnamen zu verpassen.

Ihre Single „Ich will zu dir gemein sein“ toppte die Radio- Playlists in der Stadt. Sie brachte die Freude darüber zum Ausdruck, ein Mädchen zu sein, das sowieso immer gewinnt, und schmiß die obligaten Differenzmotoren an: „Mit Simply Red kriegst du mich nicht ins Bett“ – Klopstock im Schlagergewand, nicht zum ersten, doch erstaunlich frisch und richtig.

So ein Erfolg macht heiß und angriffslustig, der Mittelpunkt der Welt war gefunden, wenn auch nur als Durchgangsort, und so wurde aus dem eher hobbymäßigen „mal eben ein Liedchen trällern“ eine Band, die sich ihre Schlager per DJ mit einem Housebeat unterlegen ließ und für ihr gerade erschienenes Album „Zuhause etwas Spannendes erleben“ einen Majordeal ergatterte, mit Propagandamaschinerie und allem Drum und Dran.

Der Titel des Albums ist natürlich ein Treppenwitz, besonders da man weiß, daß Andy nicht ungern im Kumpelnest 3000 das Bier verkauft (und natürlich die Musik auflegt) oder das Obst & Gemüse eine von den Anitas hinterm Tresen stehen hat. Oder wenn man einen Waschzettel zu Hause liegen hat, der einem die in der Tat sehr individuellen Hobbys der Bandmitglieder verrät: Ausgehen, Ausgehen, Tanzen, Jungs und Mädchen und Spaßhaben.

Nach diesen Prämissen klingt folglich das Album, bloß ist sein Hören gesünder, man kommt aus ohne Augenringe, Kater, Post-Drug-Depression oder gar Herzschmerzen: Einen folgenlosen Spaß kann man mit den Songs haben, auf funkelnden Strahlen schweben die in eine Welt ohne Zwänge und Sorgen. „Männer, Schnaps und Testosterone“ heißt da einer, da wollen die Anitas „Spaß, Spaß, Spaß die ganze Nacht, hat der Groove, Groove, Groove uns angemacht“. Oder eine „Maren“ wird angehimmelt, ohne Blätter vor den Mund zu nehmen: „Oh Maren, seh ich dich Tafeln wenden, zuckt's mir in den Lenden, oh Maren, wann komm ich bei dir an, ladidadeidadam ...“ Mal singt der Andy, mal piepsen oder volltönen die Anitas, meist gerieren sie sich als „Banditen der Liebe“, und dahinter pluckern sehr leicht und flockig die Housebeats: Musik fürs deutsche Fernsehen, für Viva und seine Techno- und House-Pop-Rotation.

Der wahre Connaisseur allerdings wird sich an die Originale halten, an „Oh Mami, Mami Blue“ oder „Laßt rote Rosen blühen“. Und so sehr man sich Mühe gibt mit Kultigkeit, Witz und Fun: Ironisch und hintersinnig wie beispielsweise Andreas Dorau sind Andy und seine Anitas nicht. Und zum echten Camp fehlen ein paar glamouröse Portiönchen, ein bißchen Künstlichkeit und noch mehr Disco, da geben sie sich noch etwas zu brav und plan, zu wenig seltsam und fremd. Andy übrigens fände es nicht schlecht, wenn sie die deutschen Pizzicato Five werden würden, und „eine Stunde unter Strom, kleine Stöße spür ich schon“ wird sich das in einer fernen Zukunft sicher machen lassen. Gerrit Bartels

Andy & die Anitas: „Zuhause etwas Spannendes erleben“ (EMI)