piwik no script img

Der Coolness wegen

Vollgepackt: Mario Van Peebles zeigt in „Panther“ die Geschichte der Black Panther Party  ■ Von Harald Fricke

In der Erinnerung ist alles schwarz – Lederjacke, Rollkragenpulli, die militärische Kappe; selbst Handschuhe und Karabinergewehre. Das Foto von Huey Newton und Bobby Seale, 1967 in Oakland vor der Parteizentrale aufgenommen, wirkt hingegen wie eine Ikone. Keine afroamerikanische Guerilla hat sich so gut inszeniert wie die Black Panthers.

1966 als „Party for Self Defence“ gegründet, dann Mitte der siebziger Jahre von inneren Zwistigkeiten zermürbt und durch das FBI zerschlagen, ist ein seltsamer Mythos um die Black Panthers zurückgeblieben. Andere, institutionell weitaus zielstrebigere Gruppierungen aus dieser Zeit sind längst vergessen – etwa die „Lowndes County Freedom Organization“, die sich in Alabama zur Wahl stellte und nur um fünf Prozent an einer Koalition aus Demokraten und Republikanern scheiterte.

Doch den Panthers haftet noch immer der Schmelz der nie wirklich verlorenen Revolution an. Deshalb wird auf Trennschärfe meist verzichtet: Kein Diskurs über HipHop, der ohne geballte Fäuste und große Panther-Gesten auskommt; kaum eine Gruppe, von Public Enemy bis zu Gangsta- Rapper Snoop Doggy Dogg, die sich nicht mit der Aktionsfront identifizieren möchte, ob als Politikum oder wegen der Coolness, die allein aus der Vergangenheit herüberweht. Das ist nur mehr schwer von Marketing zu trennen. Zeit also für eine ordentliche Aufarbeitung der Historie.

Mario Van Peebles sind bei „Panther“ einige Dinge durcheinandergeraten. Es sollte ein Film werden, der die Brücke zwischen den radikalen Bürgerrechtlern und dem „Marsch der Millionen“ im Oktober letzten Jahres in Washington schlägt. Daß jetzt die Nation of Islam dort an der Spitze steht, deren Mitglieder Louis Farrakhan rekrutiert, scheint nicht zu stören. Auch „Panther“ endet mit Verschwörungstheorien und dem Vorwurf, die Weißen hätten die Ghettos mit Heroin überflutet, um den Widerstand lahmzulegen. Die Panthers dagegen hätten von Beginn an Drogen abgelehnt. Darüber wird sich zumindest ihr ehemaliger Informationsminister Eldridge Cleaver wundern, der noch 1970 Jerry Rubin ins Vorwort von „Do it!“ schrieb, wie gerne er mit ihm kiffte. Und Huey Newton wurde 1989 im Streit erschossen – von einem Crackdealer, sagt man.

Von der Arbeit des Dokumentaristen jedenfalls ist bei Van Peebles nur das Schnipselwerk aus allerlei Fernseharchiven im Intro geblieben. Dann werden Kinder überfahren, Bürger formiert und Waffen getragen. Der Rest funktioniert als biographischer Thriller vor dem Hintergrund der schwarzen Kämpfe in den Sixties. Menschen sterben im Kugelhagel, Drogenküchen fliegen in die Luft, zwischendurch ist Fete auf dem Campus von Berkeley, eine Sly-Stone- Karikatur singt „Stand“, und auch für zarte Liebesbande findet sich Zeit. Es bleibt jedoch bei schüchtern-solidarischen Umarmungen, der Sex kommt erst nach der Revolution.

Dabei mag Van Peebles sich nicht so recht entscheiden, ob ihm an Einzelschicksal, Personenkult oder der revolutionären Masse mehr gelegen ist. Zwar formiert sich alles um Seale (Courtney B. Vance) und Newton (Marcus Chong) als agitpropgeübte Recken im Zentrum, die Story aber entwickelt sich aus der Sicht eines Vietnamheimkehrers (Kadeem Hardison), der voll Bedeutung „Judge“ heißt. Wieder geht es um Symbole: Als einziger hat er den Dienst an der Waffe gelernt, als letzter macht er von ihr Gebrauch. Er ist eine Art Pendel der Bewegung, der als Moralist im Namen der Bibel auftritt, wenn es um die Frage des bewaffneten Widerstands geht. Trotzdem läßt sich Judge als Spitzel mit dem FBI ein, um für den paranoiden Newton das gegnerische Lager auszukundschaften und „sich besser auf den Feind einzustellen“.

Solchermaßen mit Ahnungen vollgepackt, verzichtet „Panther“ in seinem Rückblick meist auf verbindende Dialoge. Flugblätter werden gedruckt und verteilt, nur nicht diskutiert. Auch die politischen Ziele sieht man lediglich aufgereiht in kurzen Schnittabfolgen: Suppenküchen, eigene Schulen, militärischer Drill. Wo Oliver Stone selbst einem Ungeheuer wie Nixon einige Zeilen Zeit für die Verzweiflung am inneren Machiavelli überläßt, wird bei Van Peebles bruchlos gelitten, geschluchzt und weitergekämpft. Der Schlachtruf „All power to the people!“ ist das einzige Scharnier, das Menschen und Handlungen aneinanderschmiedet, als könne man den autoritären Charakter ganz einfach durch Zwangscharaktere ersetzen. Das geht selten gut.

Statt aber nur eine Geschichte möglichst rasant und auf Messers Schneide (überall lauern Drogen, Spitzel und die gesamte Killerelite des FBI) nachzuerzählen, projiziert Mario Van Peebles seine eigenen Wünsche mit ins Geschehen. Wenn er etwa behauptet, daß „die Anhängerschaft der Black Panther praktisch identisch mit den schwarzen Bevölkerungsgruppen in den amerikanischen Städten war“, dann wundert man sich, warum ausgerechnet sein Vater Melvin Van Peebles niemals dazugehörte. Ein bißchen scheint der Sohn da etwas wettmachen zu wollen. Schließlich soll Newton dem alten Van Peebles einen Brief zu dessen Film „Sweet Sweetback's Baadasssss Song“ geschrieben haben. Darin „erwähnte er nebenbei einen Kinderdarsteller, der ihn sehr beeindruckt habe. Dieses Kind war ich. Und jetzt drehe ich als Erwachsener einen Film über die Panther von damals, über Huey Newton, Bobby Seale und all die anderen.“

Es gibt noch ein bekanntes Foto aus der Zeit der Original-Panthers: Nixon schüttelt James Brown die Hand. Zuvor war der Soulsänger dafür ausgezeichnet worden, daß er mit zahllosen live übertragenen Auftritten die Bevölkerung ans Radio geholt hatte. Deshalb, so Nixon, wären weniger Menschen in den Ghettos auf den Straßen demonstrieren gegangen. Solche Bilder vermißt man im Film.

„Panther“. Regie: Mario Van Peebles. Mit: Kadeem Hardison, Bokeem Woodbine, Tyrin Turner u.v.a. USA, 1995, 123 Min

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen