Kauft Amerika Japan auf?

Ford übernimmt die Leitung bei dem angeschlagenen Mazda-Konzern, und Japan fragt sich, ob nun der wirtschaftliche Ausverkauf droht  ■ Aus Tokio Georg Blume

Als Michael Crichton Anfang der neunziger Jahre seinen ersten fernöstlichen Bestsellerroman „Nippon Connection“ verfaßte, erklärte er im Nachwort: „Die Japaner haben eine ganz neue Art von Geschäft erfunden: auf Gegnerschaft hin ausgerichtetes Geschäft, Geschäft als Krieg, Geschäft, das darauf abzielt, die Konkurrenz auszuschalten“, schrieb Crichton. Er faßte damit zusammen, wie viele Amerikaner und Europäer Japan bis heute wahrnehmen: als Konkurrenten, der die Alte und die Neue Welt überrollen könnte.

Die Meldung aus der supermodernen Atombomben-Stadt Hiroshima war deshalb schier unglaubhaft: Mazda gab dort gestern bekannt, daß fortan ein amerikanischer Ford-Manager, der bisherige Vizechef Henry Wallace, Japans fünftgrößten Autohersteller führen und Ford seinen Mazda-Kapitalanteil von 25 auf 33 Prozent erhöhen wird.

Wenngleich die Quasiübernahme des angeschlagenen japanischen Autoproduzenten Mazda durch den zweitgrößten amerikanischen Automobilkonzern Ford für Insider kaum eine Überraschung war, schlug die Nachricht in Japan ähnlich ein wie einst die Übernahme des Rockefeller Centers in New York durch Mitsubishi. Für einen Ausländer an der Spitze einer so großen japanischen Firma gibt es bisher kein Beispiel.

Ford verspricht sich durch sein Engagement ein stärkeres Standbein im schwer durchdringlichen japanischen Markt. Der finanziell kränkelnde Mazda-Konzern – Verlust im vergangenen Geschäftsjahr: 380 Millionen Dollar – erhofft sich von der Kooperation mit Ford bei Entwicklung, Montage und Vertrieb ein Wiedererlangen seiner Wettbewerbsfähigkeit. Zwar war Ford schon 1979 bei Mazda eingestiegen und pumpte seither Geld und Managementwissen nach Japan, aber offenkundig war diese Strategie nicht hinreichend. Jetzt wollen die Amerikaner Nägel mit Köpfen machen.

In Japan herrscht jedoch Katzenjammer. „Ich fühle mich ein bißchen alleingelassen, wenn die Firma in ausländische Hände fällt“, sagte ein Geschäftsmann in Hiroshima. „Japanische Unternehmen verlieren die Kontrolle über ihre Aktivitäten immer mehr an ausländische Investoren“, kommentierte der japanische Stanford- Professor Kazuhide Uekusa.

In die populistischen Äußerungen der Entrüstung mischte sich freilich schon gestern ein wider Erwarten freundlicher Ton. Ausgerechnet derjenige Politiker, dessen Ministerium einst den weltweiten Markteroberungszug japanischer Großkonzerne orchestrierte, Miti- Chef Shunpei Tsukahara, sprach von einem Glückstag für die Weltwirtschaft: „Vom Gesichtspunkt aller aus gesehen, ist die Entwicklung bei Mazda eine gute Sache. Sie bedeutet, daß das Zeitalter einer gerechten internationalen Konkurrenz gekommen ist“, sagte Tsukahara.

Auf der anderen Seite des Pazifiks hatten Handelsbeamte von Präsident Bill Clinton angekündigt, daß die Amerikaner erst dann an offene Märkte in Japan glauben würden, wenn ein amerikanischer Autokonzern eines Tages einen japanischen Konkurrenten übernehme. Nun will Clinton Vollzug melden. Sein Japanbesuch in der kommenden Woche ist geradezu darauf ausgelegt, die Erfolge der „Clintonomics“ – einer Mischung aus staatlichen Handelsvereinbarungen und Deregulierungsbestrebungen in Asien – dem heimischen Wählerpublikum zu erklären.

Die Moral von Clintons Japan- Geschichte: Erst der Sanktionsdruck Washingtons hat Unternehmen wie Ford den Großeinstieg in den japanischen Automobilmarkt ermöglicht. Tatsächlichen standen die beiden größten Wirtschaftsnationen noch vor neuen Monaten kurz vor dem offenen Handelskrieg. Damals hatten sich beide Seiten erst in letzter Minute auf ein Maßnahmenpaket zur Öffnung des japanischen Automarkts einigen können.