: Streichungen und Streicheleinheiten
Schleswig-Holstein wird rot-grün: Am Wochenende starteten die Koalitionsverhandlungen. Ein erstes Ergebnis: Die künftige Finanzpolitik steht unter dem Motto „alternativ statt additiv“ ■ Aus Kiel Kersten Kampe
Dem kleinen Krach folgte wie in einem Schnulzenfilm die große Umarmung: Nachdem am Freitag die erste Koalitionsrunde zwischen Bündnisgrünen und SPD in Schleswig-Holstein wegen des Sitzplatzes des Chefs der Staatskanzlei, dem FDP-Mitglied Klaus Gärtner, nicht zustande kam, folgte am Tag darauf nach rund fünfstündiger Verhandlung die Versöhnung. Die Gespräche seien in einer „ausgesprochen harmonischen und sachlichen Atmosphäre“ verlaufen, erklärten Ministerpräsidentin Heide Simonis und die Sprecherin des Grünen-Landesvorstands, Susanne Böhnert-Tank. Beide Parteien seien sich einig, für vier Jahre ein solides Regierungsbündnis zu schaffen und sähen den weiteren Verhandlungen zuversichtlich entgegen.
Schwerpunkt der Sitzung sei die Entwicklung der Finanzen in Schleswig-Holstein gewesen, sagte Simonis. Die Koalitionsvereinbarung müsse klare finanzpolitische Eckpunkte bis zum Jahr 2000 enthalten. Zudem sei eine solide und sparsame Haushaltsfinanzierung nötig. Verständigt haben sich Rot und Grün darauf, daß künftig das Motto „alternativ statt additiv“ für die Finanzen gelten soll. „Streichen und Streicheleinheiten muß es für jeden geben“, kündigte Simonis an.
In ihrem Eingangsstatements forderte die grüne Fraktionsvorsitzende Irene Fröhlich eine Wende im Sinne einer „ökologischen Modellregion Schleswig-Holstein“. Einer „der Dreh- und Angelpunkte“ sei das Thema Verkehr. Doch von einer Verhinderung der Ostseeautobahn A 20, die zumindest im Wahlkampf ein Schwerpunktthema der Bündnisgrünen war, findet sich in ihrem schriftlichen Statement nicht ein Wort.
Angesichts der Einigkeit spielte auch der Konflikt um den Sitzplatz des Chefs der Staatskanzlei, Klaus Gärtner, keine große Rolle mehr. Noch einen Tag vor Beginn der Koalitionsgespräche hatte die zwölfköpfige Verhandlungsgruppe der Grünen moniert, daß der FDP-Mann ihnen Auge in Auge gegenüber sitzen sollte, und zwar an der Seite von Heide Simonis. Gärtner, der als Vertrauter von Simonis gilt, soll als Koordinator zwischen den Ministerien fungieren und beide Delegationen mit den gewünschten Informationen versorgen. Salomonisch konnte eine weitere Verärgerung der Bündnisgrünen verhindert werden: Der Tisch von Gärtner wurde um rund einen halben Meter nach hinten geschoben. Und der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Michael Gärtner, durfte gegenüber vom FDP-Mann Platz nehmen. Auch die SPD zog noch vor den Koalitionsverhandlungen spielerische Seiten auf: Der SPD- Landesvorsitzende, Willi Piecyk, überreichte der grünen Fraktionsvorsitzenden, Irene Fröhlich, einen „Kuba Laubfrosch“ in einem Glas, dessen besonderes Kennzeichen es sein soll, daß er sich farblich seiner Umgebung anpaßt. Heide Simonis schloß sich dem Geschenkreigen mit dem Buch „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry an. Sie hatte schließlich im Wahlkampf getönt, daß sie den grünen Frosch, der später gar zur Kröte wurde, nicht küssen wolle. Immerhin würde nicht aus jedem Frosch ein Prinz.
Ganz so verspielt dürfte es nicht weitergehen. Am kommenden Freitag soll über die Finanzeckwerte der einzelnen Ressorts entschieden werden. In acht Untergruppen wollen die künftigen Koalitionäre dann ins Detail gehen. Am 18. Mai sollen dann die Parteitage über die neue Regierung entscheiden. „Es liegt an uns zu beweisen, daß SPD und Grüne auch in schweren Zeiten erfolgreich zusammenarbeiten können“, erklärte Heide Simonis. Doch die Verhandlungen scheinen unter einem guten Stern zu stehen. Immerhin saß der geschenkte Laubfrosch zu Beginn der Verhandlungen ganz oben im Glas – das spricht bekanntlich für gutes Wetter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen