: "Steuerschlupflöcher dicht machen"
■ Die Finanzexpertin der SPD-Bundestagsfraktion, Ingrid Matthäus-Maier, verlangt, daß die Bundesregierung ein vollständiges Sparpaket vorlegt. Außer der Lohnfortzahlung bei Krankheit stellt die SPD alles z
taz: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen zwei Jahre lang keine Lohnerhöhung bekommen. So jedenfalls plant es die Sparrunde im Kanzleramt. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Ingrid Matthäus-Maier: Ich halte überhaupt nichts davon, einzelne Vorschläge herauszupicken und darüber zu diskutieren. Bis vor drei Wochen wurde das Haushaltsloch von 50 Milliarden noch verschwiegen. Es kommt auf ein Gesamtpaket an, das muß sozial gerecht sein.
Das sagt auch die Regierung.
Sie tut aber das absolute Gegenteil. Die Regierung will die Vermögenssteuer abschaffen – und gleichzeitig sollen die Arbeitnehmer Nullrunden erdulden.
Aber irgendwo muß man ja anfangen.
Ich fange nicht an: Bis vor drei Wochen wurden die Löcher geleugnet. Wir waren Schwarzmaler und ich die Kassandra. Jetzt gibt man endlich die Löcher zu, aber kommt an mit Einzelvorschlägen statt mit einem Gesamtpaket.
Sie wittern eine Strategie?
Selbstverständlich ist das Strategie. Punkt für Punkt wollen sie uns die Zustimmung für dies und jenes aus der Nase ziehen. Über manche Dinge kann man ja reden, etwa wenn man sagt, bei den Kuren braucht man mehr Eigenbeteiligung. Und dann schaffen sie vier Wochen später mit dem so gesparten Geld die Vermögenssteuer ab und werfen 8,5 Milliarden raus – auf Kosten der sozial Schwachen. Natürlich ist klar, es muß gespart werden, es darf keine Tabus geben. Aber so nicht, wir werden nicht über jedes Stöckchen springen, daß uns die Koalition hinhält.
Was müßte denn zu einem Gesamtpaket dazugehören?
Dazu gehört vor allem, daß die Steuerhinterziehung aktiv bekämpft wird. Waigel muß endlich die Steuerschlupflöcher der Großverdiener dicht machen.
Wo sparen am Sozialstaat?
Wir werden alle Vorschläge prüfen, aber klar ist: Die Substanz des Sozialstaates darf nicht berührt werden.
Aber wie sollen dann die Lohnnebenkosten gedrückt werden?
Wir haben einen sehr konkreten Gesetzentwurf vorgelegt: Danach sollen die Arbeitlosenversicherungsbeiträge um zwei Prozent gesenkt werden. Und das soll finanziert werden durch eine maßvolle Anhebung der Energiesteuern. Außerdem haben wir Vorschläge zum Abbau der Überstunden gemacht. Denn eines muß klar sein: Diese Löcher von 50 Milliarden Mark kriegt man durch Sparen allein nicht in den Griff. Dazu muß auch die Arbeitslosigkeit endlich energisch bekämpft werden. Aber die Regierung bleibt untätig. Die wollte ja gestern entscheiden und hat das wieder verschoben.
Worauf führen Sie das zurück?
Die Regierung ist schlicht und einfach handlungsunfähig, weil sie montelang das Problem geleugnet hat und jetzt nicht darauf vorbereitet ist.
Nun ist ja die Nullrunde für Beamte eine Möglichkeit, die öffentlichen Kassen zu entlasten, und Frau Simonis denkt ja mit der Verlängerung der Arbeitszeit für Beamte in eine ähnliche Richtung.
Ich sage jetzt zu keinem einzigen Vorschlag nein, außer zu der Frage der Kürzung der Lohnfortzahlung. Wir werden es in Ruhe prüfen, aber nur als Gesamtpaket. Was ist das eigentlich für eine Journaille? Die Regierung läßt als Köder immer wieder dieses und jenes fallen, und wir rennen mit hängender Zunge hinterher. Die SPD redet nur über ein vollständiges Konzept.
Was gehört denn aus Ihrer Sicht zu einem Gesamtpaket dazu?
Wir haben sehr konkrete Vorschläge, aber wir finden, jetzt muß erst die Regierung kommen.
Das ist aber doch selbst ein bißchen taktisch, oder?
Sie sind ja vielleicht gelungen. Wir haben doch schon einen sehr konkreten Gesetzentwurf mit der Energiesteuer eingebracht. So eine konstruktive Opposition wie uns hat es lange nicht mehr gegeben.
Aber sie scheinen ja noch mehr auf der Pfanne zu haben.
Unsere Vorstellung ist die: Wir warten jetzt erst mal ab und sehen, was kommt.
Interview: Matthias Urbach
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