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Strahlender Strom

■ Radioaktive Brühe bedroht die Elbe: Sanierungskonzepte für Uran-Bergwerke sind nicht in Sicht Von Heike Haarhoff

Die elbabwärts schwappende Giftbrühe aus den stillgelegten Uran-Bergwerken im Erzgebirge (taz berichtete gestern) ist nur der Vorgeschmack. Jörg Naumann, Leiter der Wasser-Kampagne bei Greenpeace, befürchtet noch Schlimmeres: „Wenn auch die Wasser-Pumpen der Uran-Bergwerke in der Sächsischen Schweiz und Thüringen abgeschaltet werden, treten dort nicht nur Schwermetalle, sondern auch Radioaktivität ins Elbwasser“. Die Trinkwasserversorgung der Städte und Gemeinden, die ihr Leitungswasser aus Elbuferfiltrat gewinnen, sei akut gefährdet.

Seit Abschluß der Uranförderung werden nach und nach die Pumpen abgeschaltet, die das Grundwasser bislang daran gehindert hatten, in die tiefer liegenden Schächte und Stollen einzudringen. Aus ökologischer Einsicht – jedes weitere Pumpen verschlechtert die Grundwasserverhältnisse –, aber auch aus Kostengründen: Das Abpumpen hält der Hamburger Chemie-Professor Arndt Knöchel, Gutachter für die Schadstoffbelastung der Elbe im Auftrag des Bundesforschungsministeriums, auf lange Sicht für „unbezahlbar“.

Wenn die Bergwerke in vier bis sechs Jahren vollgelaufen sind, droht das verseuchte Wasser über Gräben und Nebenflüsse in die Elbe zu schwappen. „Skandalös“ und „verantwortungslos“ findet Greenpeacer Naumann dieses Durchfluten: „Die Wismut-Stollen in Sachsen sind alle radioaktiv verseucht.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Strahlung das Trinkwasser erreiche. Hamburgs Partnerstadt Dresden zum Beispiel gewinnt 50 Prozent des Trinkwassers aus Elbuferfiltrat. „Bisher gibt es keine Sanierungs-, geschweige denn Kontrollmöglichkeiten“, schilt Naumann die politische Untätigkeit.

„Was Greenpeace sagt, ist seriös“, räumt Heinrich Reincke, Leiter der Wassergütestelle Elbe in Hamburg, ein. Die Verseuchungsgefahr sei nicht zu leugnen. Er ist aber „sicher, daß die Sanierung technisch machbar ist“. Und: „Wer weiß schon, ob in zehn Jahren überhaupt noch Trinkwasser aus der Elbe gewonnen wird?“

Von der Verseuchung in Hamburg wären vor allem Flora, Fauna und Boden im Hafen betroffen: Die Hoffnung, bald wieder Fisch aus der Elbe verzehren zu können, wäre dahin. Anders als Schwermetalle, die den Elbschlick belasten, läßt sich Radioaktivität schwerlich einfangen und entsorgen. „Seit Jahrzehnten ist es so, daß die Scheiße von oben kommt“, fordert Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig, „das Problem in Sachsen zu lösen“.

Die Forschungen für das Bundes-Leitprojekt „Elbe 2000“ laufen derweil auf Hochtouren, Sanierungskonzepte fehlen jedoch. Bekannt sind nur die Schadstoff-Quellen, nicht aber ihre Behebung: „Dazu müssen jetzt wissenschaftliche Versuche durchgeführt werden“, fordert Gutachter Knöchel baldige Maßnahmen. „Wir mußten bei der Elbsanierung Prioritäten setzen“, erläutert Reincke, weshalb zunächst entlang der Elbe in den neuen Bundesländern und Tschechien Kläranlagen gebaut wurden: „Wir mußten die giftigen Abwasser-Einleitungen stoppen.“ Der nächste Schritt sei jetzt, die Gefahr aus den Uran-Bergwerken zu bannen.

Offen sind neben der Machbarkeit die Kosten einer Sanierung. Weder aus Bonn noch Hamburg sind Kosten-Schätzungen zu erhalten. Aus gutem Grund: Daß die Gifte elbabwärts nach Hamburg schwappen, sei klar, gesteht Reincke, „aber wir wissen ja gar nicht, welche Mengen da auf uns zukommen“.

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