Sanssouci: Vorschlag
■ Kein Rap-Rhapsode: Paul Beatty liest in der Literaturwerkstatt
Auch Paul Beatty haßt Schubladen Foto: Literaturwerkstatt
Als „Dichterkönig der Generation X“ oder „Barde des schwarzen HipHop“ wird Paul Beatty angekündigt. Wer sich angesichts solcher Schlagwörter einen authentischen gangsta vorstellt, der das Mikrophon mit der Schreibmaschine vertauscht hat, könnte enttäuscht werden. Denn der 33jährige Autor, der seit wenigen Wochen als DAAD-Stipendiat in Berlin lebt und heute abend in der Literaturwerkstatt liest, will sich in solchen Schubladen nicht wiederfinden. Lachend stellt er klar: „Das ist totaler Schwachsinn. Angefangen hat es schon in den USA. Jeder junge Schwarze, der groß, dünn und kurzhaarig ist, wird automatisch mit HipHop in Verbindung gebracht. Aber das ist nicht, was ich mache; ich glaube, die Leute sagen so etwas, weil sie wissen, daß es Aufmerksamkeit erregt.“
Parallelen mag es durchaus geben, etwa wenn Beatty Zeilen aus Popsongs in seine Gedichte montiert und so ein dem Sampling verwandtes Verfahren benutzt. Doch die Idee zu dieser Technik, so betont er, habe er nicht aus dem HipHop bezogen. Und er hofft, das leidige Etikett irgendwann abschütteln zu können. Zwei schmale Lyrikbände hat Beatty, der beim Beat-Poeten Allen Ginsberg creative writing studierte, bisher veröffentlicht: „Big Bank Take Little Bank“ und „Joker, Joker, Deuce“. Beide wurden von der Kritik begeistert aufgenommen. Eine Auswahl liegt in deutscher Übersetzung in der bei Galrev verlegten Anthologie „Slam! Poetry“ vor.
Beattys Gedichte spielen stark mit Rhythmus, Reim und Alliterationen. Sie mischen Straßenslang mit Shakespeare-Zitaten, Fragmente aus der Werbung tauchen auf, Reflexionen über Literatur oder über die multikulturelle Gesellschaft reiben sich an einem eingeworfenen „boom shaka laka / boom shaka laka“. Daneben schreibt Beatty auch Prosa. Im Sommer erscheint sein Debütroman „The White Boy Shuffle“, in dem der Ich-Erzähler Gunnar Kaufman von seinem Erwachsenwerden in Los Angeles berichtet. Parallelen zu Beattys eigener Geschichte mögen dabei anklingen. Doch es greift zu kurz, den Roman als Autobiographie lesen zu wollen – genauso wie es in die Irre führt, Beattys Arbeiten unter dem Stichwort „Minderheitenliteratur“ abzuhaken. „Die Leute nennen dich schnell ,schwarzer Nationalist‘ oder ,schwarzer sonstwas‘. Das hört vielleicht nach einer Weile auf“, sagt Beatty, „aber während es so ist, geht es einem auf die Nerven.“ Cristina Nord
Heute, 20 Uhr, Literaturwerkstatt, Majakowskiring 46, Pankow
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