: Scientologen tagen im Forum-Hotel
■ Scientologen starten neue Werbeoffensive in Berlin. Forum-Hotel in Mitte weist Kritik an Raumvergabe zurück
Das Forum-Hotel am Alexanderplatz wird am morgigen Samstag ganz im Zeichen der Scientology-Sekte stehen. Die „Flag World Tour“ des Sektenkonzerns lädt in einem Schreiben, das der taz vorliegt, ihre Mitglieder zu einem „Event, der für die Berliner Scientology-Gemeinschaft von größter Wichtigkeit“ sei.
Gemeint ist ein Meeting, auf dem die Sektenmitglieder über das „Target 2000“ unterrichtet werden sollen. Ziel der direkt der Konzernzentrale in Clearwater/Florida unterstellten „Flag World Tour“ ist laut Einladung, „jeden Scientologen bis zum Jahr 2000 zum OT (operierender Thetan, d. Red.) zu machen“. Der OT, von dem es zehn Grade gibt, ist der höchste Rang in der Scientology-Hierarchie.
Der PR-Manager des zur Interconti-Gruppe gehörenden Forum- Hotels, Manfred Ruch, bestätigte gestern, daß man gewußt habe, daß es sich bei den Veranstaltern um Scientology handle. Ruch begründete die Entscheidung, die Räume der Sekte zu vermieten damit, daß es dem Forum-Hotel nicht anstehe, „ein Urteil über die Gäste abzugeben“.
Auch die Pressechefin der Berliner Interconti-Gruppe, Asi Schönstein, sah in der Vermietung an Scientology keine Probleme: „Wir wollen keine Kunden diskriminieren, auch keine andere Glaubensgemeinschaft“, betonte sie. Zwar habe Scientology in Deutschland ein schlechtes Image, international könne davon aber keine Rede sein. Die Vermietungsphilosophie ihres Hauses umschrieb Schönstein mit den Worten: „Customers come first“, soll heißen, der Kunde ist König.
Mit der für morgen geplanten „Flag World Tour“ geht Scientology nach Ansicht von Sektenexperten in eine neue Werbeoffensive für die teuren OT-Kurse. Daß die US-Konzernzentrale dabei ausgerechnet Berlin als Veranstaltungsort ausgewählt hat, werten Beobachter als Indiz dafür, daß die Immobilienaktivitäten der Berliner Scientology-Organisationen im vergangenen Jahr nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätten. Im Gegenteil: Die umstrittene Praxis der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch scientology-nahe Immobilienfirmen hat in Berlin zu verstärkten Bemühungen geführt, die Sekte öffentlich zu isolieren. So hat etwa die Industrie- und Handelskammer ihren Mitgliedern empfohlen, sogenannte Schutzklauseln zu unterzeichnen. Darin bestätigen die Unterzeichner, daß sie sich nicht den Lehren des Scientology-Gründers Ron L. Hubbard verpflichtet fühlen. Der Ring Deutscher Makler hat aus Angst um ein mögliches Negativimage sogar einen Unvereinbarkeitsbeschluß gegenüber von Scientologen unterwanderten Firmen gefaßt.
Nach Angaben der Sektenbeauftragten des Senats, Anne Rühle, fanden Veranstaltungen der Scientologen in Berlin bisher zumeist in deren eigenen Räumen statt. Auf öffentliche Räume könnte die Sekte ohnehin nicht zurückgreifen. Laut einer Raumvergabeverordnung, die der Senat beschlossen hat, sollen an potientiell konfliktträchtige Veranstalter wie neue religiöse oder weltanschauliche Bewegungen sowie Psychogruppen keine Räume vergeben werden.
Ähnlich denken auch viele private Anbieter von Konferenzräumen. Anders als bei der Interconti- Gruppe und dem ihr zugehörigen Forum-Hotel wäre eine Vermietung an Scientologen etwa im Bristol-Hotel Kempinski nicht möglich. „Da sind wir mutiger“, sagte Kempinski-Sprecherin Rita Sander. Auch beim Steigenberger-Hotel am Los Angeles Platz sind die Mitglieder des Sektenkonzerns nicht willkommen: „Wir haben in der Geschäftsführung eigens Listen über Scientology-Organisationen“, sagte eine Steigenberger- Sprecherin. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen