: Frankreich verschärft gegen Ausländer
Parlamentarier aus den Reihen der Regierungskoalition wollen die Ausländergesetzgebung in Frankreich verschärfen – selbst die Rechte erschrickt über die radikalen Vorschläge ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Jean-Marie Le Pen lobte das Ergebnis. Der Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission über „illegale Ausländer“ in Frankreich und ihre Politikempfehlungen seien Schritte auf dem „richtigen Weg“, erklärte der Führer der rechtsextremen Partei Front National. Die französische Linke hingegen kritisierte das zweibändige Werk auf das heftigste. Der sozialistische Parteisprecher François Hollande warnte vor der „gefährlichen Spirale“, bei der die Einwanderung mit immer repressiveren Gesetzen bekämpft werde, wobei das Resultat immer gleich gering blieb.
Die konservative Regierungskoalition selbst ist über das zweibändige Werk, das Mitte dieser Woche nach knapp halbjährigen Vorarbeiten veröffentlicht wurde, uneinig. Aus dem Büro des Premierministers heißt es, der Bericht sei „extremistisch“ und „ungeschickt“. Seine Empfehlungen riskierten – so sie zur Regierungspolitik würden – vom Verfassungsrat verboten zu werden. Der Innenminister, der zuvor keinerlei Distanz zu den Autoren des Berichts gezeigt hatte, die mehrheitlich aus dem Regierungslager kommen, erklärte schließlich beschwichtigend, es handele sich auf absehbare Zeit nur um eine Angelegenheit des Parlaments.
Die Kommission hatte Experten aus vielen Bereichen der Immigration geladen und eine Bestandsaufnahme gemacht. Abschließend schlug sie 46 Maßnahmen gegen die „illegale Immigration“ vor, die alles bisher Dagewesene übertreffen. Um die Visumvergabe zu erschweren, sollen Bewerber künftig Krankenversicherungen oder Belege über einen vorausgegangenen Arztbesuch vorlegen. Außerdem soll ein zentrales Verzeichnis aller Fingerabdrücke von Frankreichbesuchern aus Ländern mit „Migrationsrisiken“ angelegt werden. Als Schikane gegen die Gastgeber in Frankreich soll über sie ein Register angelegt werden. Wer visumpflichtige Gäste aufnehmen will, müßte in Kauf nehmen, daß das zuständige Rathaus seine Wohnung und seine Einkommensverhältnisse überprüft, um sicherzugehen, daß alle Unkonsten der Besucher abgedeckt werden würden.
Gastgeber werden überprüft und registriert
Der Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit durch eine „Scheinehe“ soll erschwert werden. Medizinische Versorgung soll „illegalen Ausländern“ künftig nur noch in Notfällen zustehen oder wenn Ansteckungsgefahr bestehe. Die Schwarzarbeit soll stärker verfolgt werden. Und schließlich sollen die Abschiebeprozeduren verschärft werden – unter anderem sieht die Kommission eine Verlängerung der Abschiebehaft von bislang 15 auf 45 Tage vor und will auch die Abschiebung von Minderjährigen gestatten.
Suzanne Saubaigo, Abgeordnete der neogaullistischen Regierungspartei RPR aus Südfrankreich und eine der beiden führenden Kommissionsmitglieder, beschreibt ihre Beweggründe unter anderem mit den „ausländischen Frauen, die nach Frankreich zur Niederkunft kommen, um ihren Kindern und sich selbst Zugang zu der französischen Staatsangehörigkeit zu eröffnen“. Andere Kommissionsmitglieder verweisen auf die „Probleme der Bürgermeister“, wenn sie Visumvergaben verhindern wollten, um keine zusätzliche „illegale Immigration“ in ihre Kommunen zu holen.
Seit Monaten bestimmen die Themen „illegale Immigration“ und Schwarzarbeit die politische Debatte in Frankreich. Obwohl mit den Pasqua-Gesetzen aus dem Jahr 1993 eine solid-repressive Grundlage vorliegt, haben drei Minister neue Gesetze vorbereitet. In Ausschnitten bekannt ist davon bislang nur das Vorhaben von Justizminister Jacques Toubon, der eine Gleichsetzung von „illegaler Immigration“ und „Terrorismus“ plant. Wer künftig Ausländern zu einem illegalen Grenzübertritt nach Frankreich verhilft oder Illegalen im Land hilft, macht sich danach ebenso strafbar wie die Immigranten selbst. Die Arbeit zahlreicher unabhängiger Organisationen und Anwälte wäre damit ad absurdum geführt.
Premierminister Alain Juppé will seinerseits noch vor dem Sommer ein Gesetz vorlegen. Darin will er vor allem auf „Beherbergungszertifikate“ und den Kampf gegen die Schwarzarbeit abheben. Eine Begrenzung der medizinischen Versorgung und eine Verlängerung der Abschiebehaft hat er nicht vor. Juppés Vorsicht ist berechtigt: Schon einmal war der Versuch, die Abschiebehaft zu verlängern, am Widerspruch des Verfassungsrates gescheitert.
Innenminister Debre schließlich, dessen Elan durch die Parlamentsdebatte einen kleinen Dämpfer erfuhr, will sich noch ein paar Wochen Zeit lassen, bis er sein Gesetz vorlegt. Auf jeden Fall aber, so kündigte der Neogaullist bereits an, will er demnächst ein zentrales Büro einrichten, das sich ausschließlich dem Kampf gegen die „illegale Immigration“ widme.
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