„Kein Anspruch auf Organe“

■ Grüne Monika Knoche wehrt sich gegen Euthanasievorwürfe

taz: Sie sagen zwar, daß Hirntote noch lebende Menschen sind, dennoch stimmen sie einer Organentnahme zu. Bedeutet das dann nicht Tötung auf Verlangen?

Monika Knoche: Man muß sich ganz genau anschauen, was dieser Transplantationszustand tatsächlich ist. Es handelt sich nicht um eine Lebensverkürzung, auch nicht um eine Sterbeverkürzung, sondern es ist eine Veränderung und Verlängerung des Sterbeprozesses. Das Abschalten der diesen Sterbezustand festhaltenden Apparate ist aufgrund des Würdeschutzes der Sterbenden, der gewährleistet sein muß, geboten, wenn kein Behandlungsziel mehr gegeben ist. Hinausgezögert wird der Tod, um eine Organentnahme vornehmen zu können. Der Organspender willigt in diese Maßnahme ein.

Der tödliche Eingriff wäre aber doch die Organentnahme?

Nein, so ist es nicht. Der sterbende Mensch sagt, auch wenn es sich sehr hart und technisch anhört: Ich gestatte, daß durch die Organentnahme die Vollendung meines Sterbeprozesses verändert wird. Die Unausweichlichkeit ist durch den Zusammenbruch der Hirnorganfunktionen gegeben. Weil das so ist, ist es auch die ärztliche Pflicht, den Behandlungsabbruch vorzunehmen. Der Mensch stirbt nicht durch das Abschalten oder das Entnehmen der Organe. Er stirbt durch sein Hirnversagen, der Eintritt des Todes verändert sich.

Ist nach der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes damit zu rechnen, daß Organe noch stärker Mangelware werden?

Wir müssen grundsätzlich dafür Sorge tragen, daß menschliche Organe keinen Warencharakter bekommen. Aber man hat sich vielleicht auch schon zu sehr daran gewöhnt, daß menschliche Organe verfügbar seien. Um kein Anspruchsdenken in der Bevölkerung zu nähren, ist diese Diskussion sehr wichtig. Andererseits denke ich, daß viele die Mündigkeit der Menschen stark unterschätzen. Der Rückzug der Spendenbereitschaft hat mit Angst und Willkür und dem Todeskonzept zu tun, das gegen jegliche lebensweltliche Erfahrungen in die Welt gesetzt wurde. Eine klare Regelung durch enge Zustimmung und kein neuer Tod wird eher zu einer Akzeptanz führen.

Nur bei Kindern wollen Sie eine Ausnahme von der engen Zustimmungslösung zulassen?

Ja, das ist richtig. Das ist ein Problem. Kinder sind Grundrechtsträger, und insofern ist es sehr schwer, eine Argumentation zu entwickeln, die es ausgerechnet oder gerade bei Kindern erlaubt, von der engen Zustimmungsregelung Abstand zu nehmen. Der Gruppenantrag aus der SPD macht ebenfalls auf dieses Problem aufmerksam.

... der aber auch kein Lösung anbietet.

Richtig. Aus der Rechtslogik würde sich die Konsequenz ergeben, daß Kinder keine Organe bekommen können. Wir haben hier wirklich einen gravierenden Konflikt. Interview: Wolfgang Löhr