: „An der Regierung nicht vorbeimogeln“
■ Die PDS soll sich für Koalitionen mit der SPD öffnen, fordert PDS-Chef Helmut Holter
taz: Wann wird es eine SPD- PDS-Koalition in Schwerin geben?
Helmut Holter: Was denken Sie denn? Das kann noch niemand sagen.
Aber die Koalition kommt?
Es wird irgendwann eine geben, aber ob schon 1996, ist offen. Noch gibt es entsprechende Beschlüsse weder bei uns noch bei der SPD. Wir haben bisher den Beschluß, daß wir erstens die CDU ablösen wollen und dafür zweitens eine SPD-Regierung tolerieren würden.
Falls Ministerpräsident Seite abgewählt wird, bieten Sie dann der SPD eine Koalition an?
Ich persönlich schließe eine Koalition nicht aus. Aber letztlich wird darüber ein Sonderparteitag entscheiden müssen.
Sie haben ja bereits auf Ihrem letzten Landesparteitag in Stralsund im Februar deutlich für eine Koalition geredet und dabei einigen Unmut geerntet.
Die aktuellen Ereignisse bestätigen doch meinen Ansatz: Es ging mir ja darum, unsere Strategie weiterzuentwickeln. Ich denke, die PDS kann sich an der Frage der Regierungsbeteiligung nicht länger vorbeimogeln. Die aktuelle Koalitionskrise zeigt ja: Solche Entscheidungszwänge können schnell eintreten.
Werden Sie sich durchsetzen?
Wenn die CDU-Finanzministerin Kleedehn nicht entlassen wird, ist die SPD im Handlungszwang, nicht die PDS. Es geht nicht darum, daß wir ein Koalitionsangebot machen. Die SPD muß überlegen, wie es in diesem Land weitergeht. Wir sind bereit, einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten in einem konstruktiven Mißtrauensvotum zu unterstützen. Aber nicht zum Nulltarif.
Nun sind ja die PDS und die SPD ausgerechnet in der Werftenfrage, die den Koalitionskrach auslöste, uneins.
Wir sind der Meinung, daß erneut mit Waigel nachverhandelt werden muß. Der Bund muß die veruntreute Summe ganz zahlen.
Ein schlechter Einstieg.
Nein, die SPD sieht die Frage ja ähnlich wie wir: Der Bund steht in der Verantwortung.
Aber die SPD will den von der CDU ausgehandelten Kompromiß doch mittragen.
Ja, aber wenn die CDU-SPD- Koalition platzt, müßte das neu verhandelt werden. Ich denke, die SPD würde sich da bewegen.
Ein größeres Problem wäre die Ostseeautobahn — für die SPD das Prestigeobjekt.
Ja, da sind wir dagegen. Das ist sicher ein Knackpunkt.
Eine Kröte, die Sie schlucken müssen?
Klar müssen wir Kompromisse machen. Ob bei der Ostseeautobahn ist noch die Frage.
Ist denn die PDS schon in der Lage, solche Kompromisse und die damit verbundenen innerparteilichen Konflikte auszuhalten?
Die Frage ist nicht, ob wir zu sehr nach vorne preschen, sondern: Welche Alternativen bietet die aktuelle Lage in Schwerin? Dort, in der Partei, wo ich meinen politischen Kurs erläutere, erfahre ich meist Zustimmung.
Bläst Ihnen da auch kein Wind aus Berlin entgegen?
Im Moment nicht. Bisher mischt sich die Parteizentrale in Berlin nicht bei uns ein.
Aber Ihr Bundesvorsitzender Lothar Bisky ist doch bisher gegen Koalitionen.
Ja, sicherlich. Am Montag werden wir das im Bundesvorstand gemeinsam beraten. Schließlich hätte eine Koalition in Mecklenburg-Vorpommern bundespolitische Signalwirkung. Interview: Matthias Urbach
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