: Harte Nuß für die Belegschaft
■ 240 Arbeitsplätze bedroht: Bahlsen schließt Hamburger Betrieb, obwohl noch vorige Woche über „Bündnis für Arbeit“ verhandelt wurde Von Iris Schneider
Der Arbeitsplatzabbau in Hamburg geht in eine neue Runde. Diesmal sind die 240 MitarbeiterInnen des Hamburger Traditionsunternehmens Wilhelm Liebelt GmbH & Co KG davon betroffen. Seit 1902 stellt die Firma geröstete Erdnüsse, Salzmandeln und ähnliches her. Seit 1990 gehört sie zu 100 Prozent dem Hannoveraner Bahlsen-Konzern. Gestern erfuhr der Betriebsrat, daß die Firma bis Ende des Jahres schrittweise geschlossen wird. Die Nußrösterei soll ins sächsische Kreba verlagert werden.
Zur Begründung hieß es aus der Konzernzentrale, in Sachsen könne man erheblich günstiger produzieren. Bahlsen rechnet mit einer Kostenersparnis von bis zu 9 Millionen Mark pro Jahr, unter anderem weil das dortige Werk dem Konzern gehört, während der Hamburger Betrieb in einer gemieteten Halle arbeitet. Außerdem seien die Personal- und Standortkosten, wie beispielsweise Wasser, langfristig niedriger, sagte Unternehmenssprecherin Clarissa Wischermann der taz: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber ab 1997 wird Bahlsen in Hamburg nicht mehr vertreten sein.“
Die Stimmung unter den Mitarbeitern bei Liebelt „ist sehr bedrückt“, erklärte Betriebsrat Frank Schwarz. Die Schließung sei überraschend gekommen, auch wenn bekannt gewesen sei, daß Bahlsen Rationalisierungen im Bereich der Snack-Produktion seit einem halben Jahr prüfen ließ.
Liebelt war erst vor einem Jahr von der Wendenstraße an den Ross-hafen verlegt worden. Damals wurden bereits 118 Mitarbeiter entlassen. Außerdem stimmte die Belegschaft Lohnkürzungen und einer weitreichenden Arbeitszeitflexibilisierung zu. Diese Vorleistungen haben die „Entscheidung des Bahlsen-Konzerns nicht beeinflußt“, stellte Walter Scheuer von der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) deprimiert fest.
Auf der Mitarbeiterversammlung gestern mittag hat die Belegschaft deutlich gemacht, daß sie gegen die Schließung des Betriebes kämpfen will, so Scheuer. Zunächst wird der Betriebsrat jedoch den von der Unternehmensleitung vorgelegten Sozialplan rechtlich prüfen lassen, so Frank Schwarz. Das Unternehmen bietet bis zu 60 MitarbeiterInnen einen Arbeitsplatz im Werk Kreba an. Außerdem wolle man eine externe Arbeitsvermittlung damit beauftragen, neue Jobs für die ArbeiterInnen und Angestellten von Liebelt zu suchen, teilte Unternehmenssprecherin Wischermann mit.
Besondere Pikanterie: Der – auch für salzige Snacks zuständige – Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie hat kürzlich der NGG Gespräche über ein „Bündnis für Arbeit und zur Standortsicherung“ angeboten. Das erste Treffen fand am 9. April statt. Eingeladen hatte Andreas Schubert, Vorsitzender des sozialpolitischen Ausschusses des Unternehmerverbandes – und Manager im Bereich „Unternehmensleitung Snacks“ bei Bahlsen. Die Schließungspläne gingen über seinen Schreibtisch.
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