piwik no script img

Wand und BodenDie Postmoderne trägt keinen Morgenmantel

■ Kunst in Berlin jetzt: Gerhard Merz, Dietrich Klakow, Silva Wischerropp, Toms Erben

Über drei Meter sechzig mal sieben Meter zwanzig erstreckt sich Gerhard Merz' Kadmiumorange über die Leinwand, die in einem weißen Wandeinbau mit kurzen Eckstücken hängt. Diese weiße Wand will Architektur symbolisieren, die feste Wand, die Zug und Druck standhält, in ihrer Funktion ist sie allerdings nicht mehr als ein ultrapompöser Rahmen. Denn die orange Leinwand durchziehen (und tragen damit) zwei dicke Schraubgewinde, die auch durch die kurzen Eckteile der weißen Wand durchgesteckt sind. Die überstehenden Enden der Gewinde und die Strecke zwischen Leinwand und Wand zieren mächtige Muttern. Wollte man das Orange so in den realen architektonischen Raum der Galerie Hetzler einfügen, ragten die Gewindeenden einmal auf die Straße, das andere Mal in den Hinterhof. Das würde lustig aussehen, überraschend, und ließe genau das vermissen, was Merz' Kunst ausmacht. Sie handelt schlicht und monumental von Kontrolle. Kontrolle über die Farbe, Kontrolle über die Architektur, die so zur Skulptur geadelt wird. Hat man die theatralische Hängung erst verdaut (und das ganze Arrangement würde sich als Bühnenbild wirklich gut machen), langweilt man sich. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dieses Übermaß an Ebenmaß bei Bild und Träger, an Brillanz und Makellosigkeit des Orange, das alles sei zu gefällig: Ästhetik für Anfänger.

Bis 25. 5. Di.–Sa. 11–18 Uhr, Zimmerstraße 89

Politische Kunst für Anfänger zeigt Dietrich Klakow in der Galerie in der Schwartzschen Villa. In dem kürzlich renovierten, 1895 erbauten ehemaligen Sommersitz einer Kaufmannsfamilie verfügt das Kunstamt Steglitz über neue Galerieräume, die es ermöglichen, auch plastische Arbeiten zu zeigen. Dietrich Klakow, Dozent für Metallplastik an der FH in Hannover hat seine Ausstellung „Blühende Landschaften“ betitelt. Das bezieht sich natürlich auf das berühmt-berüchtigte Kanzlerwort. Entsprechend heißen die Bodenskulpturen also „Bischofferode“ oder „Treuhand“. Und weil dazu das Stichwort „platt machen“ gehört, hat Herr Klakow je eine Walze ins Zentrum seiner Plastiken montiert. Selbstkritisch auf seine plattgewalzte Symbolik verweisen wollte er sicher nicht. Auch formal sind seine Arbeiten allzu simpel. Aus allerlei Fundstücken dekorativ zusammengefügt, aber selbstverständlich mit dem professionellen Wissen, wie man die Materialästhetik ausreizt, das rohe, schwere Eisen mit allerlei zierlicher Montage konterkariert. Immerhin ist die Schwartzsche Villa ein echter Gewinn für Steglitz. Das Haus und seine Einrichtungen, neben der Galerie, ein Atelier, ein Zimmertheater, eine Druckwerkstatt, ein Fotolabor und Musik- und Theaterprobenräume, stehen für nichtkommerzielle Kulturveranstaltungen zur Verfügung. Im Garten des Cafés, das von einem Verein für Behindertenarbeit betrieben wird, läßt sich über die blühende Landschaft besser meditieren.

Bis 9. 5., So., Di.–Fr. 10–18, Sa 14–18 Uhr, Grunewaldstraße 55

„Fremde Betten“, das klingt verheißungsvoll frivol, noch dazu wenn Silva Wischerropps „fotografische Einblicke in Berliner Schlafkulturen“ im Boudoir gezeigt werden. Doch so vielversprechend es scheint, die Darstellung der Verschiedenheit der Menschen an ihr Porträt im Bett zu knüpfen, so unbedeutend sehen die Bettlägrigen aus. Leider sind sie keine Sonnenkönige oder Hollywood-Diven, die von ihrem Pfühl herab regieren. Sie liegen einfach harmlos darin. Manche tragen auch Unterwäsche oder einen Morgenmantel, und manche legen sich gleich völlig angezogen ins Bett. Vielleicht wollen sie gleich wieder raus. Das Bett ist nicht der repräsentative Platz des postmodernen Menschen. Das will uns nur die Möbelindustrie glauben machen. Manche rauchen im Bett, manche sind im Bett ein heterosexuelles und manche ein homosexuelles Paar, manche sind allein, manche mit Kind. Es ist ein schwieriges Thema, das Wischerropp in ihren Schwarzweißaufnahmen anging. Ein paar schöne Aufnahmen sind ihr gelungen. Aber letztlich zeigen die Fotos zuviel Einverständnis von seiten der Porträtierten, um als Schnappschüsse durchzugehen, und zuwenig Einverständnis für die strenge Stilisierung.

Bis 18. 5., Do–So ab 21.30 Uhr, Brunnenstraße 192

Let Us Now Praise Sexy Men, könnte man Touko Laaksonens Werk übertiteln. Laaksonen, als Tom of Finland bekannt, beschwört in seinen hyperrealistischen Arbeiten ein megageiles Paradies voll verführerischer, stupsnäsiger Puppen mit den Wahnsinnsmuckis, Knackärschen, riesigen Schwänzen und gigantischen Hoden. Dabei löst Tom die Dichotomie des von vorn und von hinten auf, alles ist gleichwertig, alles ist möglich. Seine Pornographie erscheint bedenkenlos lustvoll, ihr haftet die Utopie einer rabiaten Unschuld an, sie ist ansteckend animierend. „Ansteckend“ wird heute nur noch negativ konnotiert. Da scheint es richtig bei „Toms Erben“ nachzuschauen, wie es das Schwule Museum tut, was heute noch geht. Claus Constantin-Rüttinger, angesteckt, 1993 an Aids erkrankt, wollte sich ursprünglich nur sein Grabmal modellieren, ein „Herrenwalzer“ sollte ihn und seinen Freund verewigen. Darauf folgte das nächste Stück. Drei Jahre später geht es ihm besser, und seine Tischskulpturen haben nun am meisten von Toms anarchistischem Sex. Ed Cervones Aquarelle wirken gezierter, rokokohaft, und sie sind deutlich mehr schwanzfixiert als der Altmeister. Das gilt auch für Ulis Zeichnungen. Die mit hübschen Rein-raus- Spielen bemalten Eier eines Ungenannten aus der „Deutschen Eiche“ in München, bringen die verlorene Dimension wieder ins Spiel. Und der Fotograf Ingo Taubhorn weiß, daß dem Sexappeal der Tomschen Pin-ups nur die Hoheitsinsignien einer Polizeiuniform gerecht werden. Lose mit Tom of Finland assoziiert sind die Arbeiten von Marc Brandenburg, Ueli Etter, Rinaldo Hopf, Wilfried Laule oder Christoph Wachters briefmarkenkleine Radierungen. Raffiniert ist Heinz Emigholz' piktogrammartige Beobachtung „Die Hände bei Tom of Finland“.

Bis 14. 6., Mi–So 14–18 Uhr, Führung: Sa. 17 Uhr, Mehringdamm 61 Brigitte Werneburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen