Press-Schlag: Platz! Wetter! Flug!
■ Wer fliegt, wenn Klinsmann platzt?
Am Ende der Tage werdet ihr lesen über die Gründe der Münchner Malaise in Rehhagels ultimativer Weltgeschichte des Milleniums („Ich, Otto, und das zweite Jahrtausend“): Flug zu lang! Wetter zu schlecht! Platz auch! Und mit historischem Verständnis nicken.
Vielleicht. Möcht' sein, daß einer aber im Moment schon platzen kann, wenn er solche Analysen hört. Und mal so richtig wettert. Worauf am End' ein anderer fliegen könnte. Jürgen Klinsmann (30) jedenfalls hat nach dem samstäglichen 1:1 gegen Frankfurt gesagt, er sei „angefressen“! Schlimmer: „Ziemlich angefressen“!
Das nun ist keinesfalls „ganz normal“, wie der Geschäftspartner Markus Babbel weismachen wollte. Wenn Klinsmann Mühe hat zu schweigen, wird's ernst. Das Problem ist, sagt er: „Jeder hier hat eine eigene Philosophie vom Fußball.“ Das umreißt die Sachlage aber auch nur vage. Es unterstellt nämlich, daß unter anderen auch Rehhagel eine eigene Philosophie vom Fußball hat. Das mag in München keiner so richtig glauben. Der Sport-Studio-Auftritt des freundlichen Babbel war ein Musterbeispiel dafür, wie einer sich abrackerte, nicht hinterher das Depperl zu sein. Babbel allerdings unterlief erneut ein folgenschwerer Deckungsfehler. „Auswärts kannst du warten, was der Gegner macht“, analysierte er die Diskrepanz zwischen Europapokal-Erfolgen und letzten Heimspielen. Heißt? Zu Hause nicht.
Gegen „defensive Mannschaften“, hat auch Bayern-Präsident Franz Beckenbauer offiziell gesagt, „haben wir unsere Probleme“. Er sagt aber auch, man könne „der Mannschaft keinen Vorwurf machen“. Es ist so einfach: Im UEFA-Pokal, raunen's in München, stelle der Franz das Team auf und lasse stürmen. Ergebnis: Tore, Siege, Finals etcetera. In der Bundesliga stelle Rehhagel auf – nur einen Stürmer. Klinsmann. Um zu gewinnen aber, ahnt Beckenbauer, „müssen's halt auch Tore schießen“. Hehe, geht ja nicht, wenn keiner angreift. Weiß doch jeder.
Nun. Fast jeder.
Am Wochenende hat sich selbst Jörg Wontorra – ein Jahrzehnt lang Bremer Schuheküsser von Ottos Gnaden – heftig gemüht, sich über Rehhagel lustig zu machen. Wenn das so weitergeht, wird nicht einmal mehr Töpperwien zur Stelle sein, wenn Otto deutschen Boden verläßt. Bitte, wer steht denn im UEFA-Finale, wer hat denn in den letzten zehn Jahren ein europäisches Finale erreicht, „außer ich, Otto Rehhagel?“ Nun, könnte einer kleinlich aufzählen: Leverkusen (1988), Dortmund (1993) und auch die Bayern (1987). Das kommt in Ottos Geschichtsschreibung halt nicht vor. Die Meisterschaft, hat Rehhagel gesagt, „ist noch nicht verloren“. Genau: Vielleicht wird ja das Wetter besser. Oder der Platz. Oder die Flüge. Peter Unfried
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen