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Avanti popolo! Linke Mehrheit in Italien

■ Schwere Schlappe für Berlusconis Rechte: Sozialdemokratisches Olivenbaum-Bündnis und Neokommunisten gewinnen überraschend Parlamentswahl. Separatistische Lega Nord wird stärkste Partei in Oberitalien

Rom (taz) – Mit gleich mehreren faustdicken Überraschungen und einer erneuten Niederlage der Demoskopen endeten die italienischen Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag: Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte gingen Italiens linke und demokratische Kräfte als Wahlsieger hervor. Das Mitte-links-Bündnis Olivenbaum – bestehend aus Linksdemokraten, Grünen, Linkskatholiken, Anti- Mafia-Bewegung und den Reformern des amtierenden Ministerpräsidenten Lamberto Dini – errang gemeinsam mit den Neokommunisten sowohl im Senat wie im Abgeordnetenhaus die absolute Mehrheit.

Die letzten Meinungsumfragen hatten dem Mitte-links-Konglomerat unter seinem Chef Romano Prodi (57) ein kleines Übergewicht vor der Rechtsformation Pol der Freiheiten (Forza Italia, Nationale Allianz, Rechtskatholiken) gegeben. Allerdings nur so wenig, daß die absolute Mehrheit in unerreichbarer Ferne schien.

Völlig daneben auch die Voraussagen innerhalb der Rechten: Die aus den Neofaschisten hervorgegangene Nationale Allianz, seit Wochen bei mehr als 20 Prozent veranschlagt und damit stärker als der bisherige Seniorpartner Forza Italia unter dem Medienunternehmer Silvio Berlusconi, blieb bei gut 15 Prozent stecken. Wogegen die Forza Italia nur wenig von ihrem Stimmenanteil von vor zwei Jahren verlor; sie hat nun knapp 21 Prozent. Die gesamte Mitte-rechts-Allianz erreicht im Senat nur gut 37, im Abgeordnetenhaus 42 Prozent.

Der eigentliche Überraschungssieger jedoch ist die Lega Nord, eine nur in Oberitalien angetretene Bewegung. Sie hat stark sezessionistische und mitunter auch rassistische Einschläge und hatte damit vor zwei Jahren – damals noch in einem Zweckbündnis mit Berlusconi – gut sechs Prozent erreicht, war mittlerweile aber mehrfach totgesagt worden und hatte auch demoskopisch nur wenig Chancen bekommen. Doch nun erhielt sie, trotz ihrer Kandidatenbeschränkung ausschließlich auf den Norden, aufs ganze Land umgerechnet mehr als 10 Prozent und wurde mit mehr als 21 Prozent in Oberitalien zur stärksten Partei dieser Region, obwohl gerade dort auch die Hochburg der Forza Italia liegt.

Obwohl beide großen Gruppierungen im Wahlkampf eine Koalition mit der Lega ausgeschlossen hatten, seit deren Chef Umberto Bossi mit der Ausrufung einer autonomen „Republik des Nordens“ droht, gilt es als wahrscheinlich, daß diese Gruppierung spätestens im Herbst zu ernsthaften Gesprächen mit dem Olivenbaum antreten wird – dann sind Haushaltsberatungen angesagt, und für diese stehen fast unüberbrückbare Gegensätze zwischen dem sozialdemokratischen Olivenbaum-Bündnis und den Neokommunisten fest. Letztere kündigten übrigens an, auf Hammer und Sichel im Parteiemblem verzichten zu wollen.

Allerdings bereiten sich auch andere auf einen möglichen Eintritt ins Mitte- lnks-Bündnis – als Ersatz für die Neokommunisten – vor: Teile jener Christdemokraten, die bei Berlusconi und Fini mit von der Partie waren, suchen bereits seit einiger Zeit Absetzgründe vom Pol der Freiheiten und würden – gute Angebote vorausgesetzt – auch unter den Olivenbaum schlüpfen. Werner Raith Seite 10

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